Eine Web 2.0-Anwendung für die Prozessmodellierung bietet der BPMS-Hersteller Lombardi an. Das Modellierungswerkzeug „Blueprint“ wird ausschließlich als „SaaS“ (Software as a Service) angeboten, d. h. es wird von Lombardi gehostet, und die Nutzung erfolgt über das Internet. Es wird insbesondere das gemeinsame Modellieren durch verteilte Teams unterstützt. Die Modellierungsoberfläche im Web-Browser braucht sich von ihren Benutzerfreundlichkeit und Interaktivität her nicht vor herkömmlichen Modellierungstools verstecken. Für Einzelbenutzer ist der Zugang kostenlos.
Manche der angebotenen Features sucht man in herkömmlichen Modellierungstools vergebens. In einem Prozessmodell schiebt man einfach eine Aktivität über eine existierende Kontrollflussverbindung, und schon ist sie in den Prozess eingebaut. Ein „Umhängen“ der Pfeile ist überflüssig. Ein Teil eines Prozessmodells soll in einen eigenen, untergeordneten Prozess verwandelt werden? Oder umgekehrt ein Unterprozess in den Hauptprozess „hochgehoben“ werden? Auch das funktioniert mit einem Mausklick. Fügt man irgendwo ein Element ein, so verschiebt sich der Rest des Modells von selbst, um für den neuen Inhalt Platz zu machen.
Die angebotenen Modelltypen sind allerdings recht eingeschränkt: Der Einstieg in die Prozessmodellierung erfolgt über eine „Discovery Map“. Hierbei handelt es sich um eine Matrix-Darstellung der aufeinander folgenden Hauptfunktionen (ähnlich einer Wertschöpfungskette) mit den darunter angeordneten Einzelfunktionen. Über diesen Spalten werden jeweils die Beteiligten angezeigt. Sind die Funktionen noch weiter unterteilt, so gelangt man per Mausklick zu einer detaillierten „Discovery Map“. Zu jeder Funktion lassen sich neben den Beteiligten u. a. Input und Output, auftretende Probleme und eine Beschreibung eingeben. Eine „Documentation view“ stellt die Funktionshierachie mit den Beschreibungen in Form eines Textdokuments dar – die weiteren Angaben wie Beteiligte, In- und Output etc. fehlen dabei leider.
„Blueprint“ nimmt beim Modellieren Arbeit ab
Schließlich kann man von der „Discovery Map“ in ein „Process Diagram“ in BPMN (Business Process Modeling Notation) wechseln. Hier nimmt einem Blueprint schon einige Arbeit ab: Die Hauptfunktionen (etwas irreführend als „Milestones“ bezeichnet) finden sich als Spalten zur Strukturierung des Diagrams wieder, für jeden Beteiligten gibt es eine horizontale Swimlane. Die einzelnen Funktionen sind in diese Swimlanes eingeordnet und zunächst in der Reihenfolge ihres Anlegens zu einem Prozess verbunden. Für weiter unterteilte Funktionen enthält das Modell jeweils ein Unterprozess. Dieses Modell kann nun weiter entwickelt werden, z. B. durch Einfügen von Ereignissen, Verzweigungen, Schleifen. „Discovery Map“ und „Process Diagram“ werden stets synchron gehalten.
Das verteilte Modellieren im Team wird durch das Anlegen und Verteilen von Modellierungs-Aufgaben sowie eine in das Modell integrierte Chat-Funktion unterstützt. Außerdem kümmert sich Blueprint um die Speicherung verschiedener Entwicklungsstände. Es ist daher leicht möglich, zu einem früheren Stand eines Modells zurückzukehren. Aus Modellen und Dokumentation können automatisch Powerpoint-Präsentationen erzeugt werden. Diese Funktionalitäten sind allerdings der kostenpflichtigen
Blueprint besitzt ein integriertes Repository, so dass man etwa beim Eintragen von In- und Outputs eine Liste der bereits angelegten Datenobjekte zur Auswahl angeboten bekommt. Leider gibt es außer den genannten Darstellungen keine weiteren Sichten auf dieses Repository, wie z. B. ein Organigramm oder eine Übersicht der Datenobjekte. Zwar gibt es die Möglichkeit, Prozessmodelle zu analysieren, doch beschränkt sich diese auf eine gewichtete Auswertung, welche Probleme in den jeweiligen Prozessen wie oft genannt wurden.
Export in ein BPMS
Das Prozessmodell lässt sich auch exportieren, und zwar im BPDM-Format (Business Process Definition Metamodell). Laut Lombardi werde dies von führenden BPMS-Herstellern unterstützt. Allerdings werden keine konkreten Tools genannt. Aufgrund der herrschenden Formatvielfalt muss daher befürchtet werden, dass der Modellaustausch problemlos nur mit Lombardis eigenem BPMS „Teamworks“ funktioniert. Ein Re-Import von Modellen aus dem BPMS in die Modellierungsumgebung scheint nicht möglich zu sein. Laut Hersteller gibt es für die kostenpflichtige Version eine Teamworks-Integration, bei der es wohl Benachrichtigungen gibt, wenn sich ein Modell in einem der beiden Systeme ändert.
So stellt sich die Frage, für welche Zielgruppe Blueprint geeignet ist. Fachlich ausgerichtete Modellierer werden sich an den eingeschränkten Darstellungs- und Auswertungsmöglichkeiten stören. Technisch ausgerichtete Workflow-Modellierer haben keinen großen Vorteil, wenn sie ihre Modelle erst in Blueprint erstellen, zumal Workflow-spezifische Details erst direkt im BPMS hinzugefügt werden können. Lombardi hat zwar von verschiedenen Analysten sehr gute Bewertungen als Anbieter im BPM-Umfeld erhalten, doch dürfte dies vor allem dem BPMS „Teamworks“ verdanken zu sein. Der Modellierungsplattform „Blueprint“ hingegen fehlt noch einiges, was es zu einem vollwertigen Geschäftsprozessmodellierungstool machen würde. Es ist zu wünschen, dass dieses System entsprechend erweitert wird. Mit seinem Repository verfügt es über die Basis dafür. Die innovativen Features von Blueprint zeigen nämlich sehr anschaulich, wie Geschäftsprozessmodellierung 2.0 aussehen kann.
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