Bereits in der sechsten Auflage liegt das von Becker, Kugeler und Rosemann herausgegebene Buch „Prozessmanagement: Ein Leitfaden zur prozessorientierten Organisationsgestaltung“ (Anzeige) vor. Das insgesamt 700 Seiten umfassende Werk ist in drei Teile gegliedert. Teil A, „Prozessorientierte Organisationsgestaltung“ erläutert die Grundlagen der Prozessorientierung und die Vorgehensweise zur Neugestaltung der Geschäftsprozesse im Unternehmen. Die Anwendung dieser Vorgehensweise wird anhand eines realen Projekts erläutert, das bei der Firma DeTe Immobilien (heute Strabag) durchgeführt wurde.
Teil B zeigt weitere Anwendungsmöglichkeiten und Entwicklungsperspektiven auf. Vorgestellt werden die prozessorientierte Einführung von ERP-Systemen, das Workflowmanagement, die prozessorientierte Gestaltung von Aufbauorganisation und Berechtigungskonzept am Beispiel von SAP R/3, die Simulation von Geschäftsprozessen, Supply Chain und Customer Relationship Management. Ein in der sechsten Auflage neu aufgenommenes Kapitel beschäftigt sich mit der Wirtschaftlichkeitsrechnung für die Gestaltung von Geschäftsprozessen. Teil C enthält einige Fallstudien zum Prozessmanagement aus verschiedenen Branchen.
Obwohl es sich um einen Herausgeberband handelt, sind die einzelnen Beiträge in Teil A sehr gut aufeinander abgestimmt. Zwar werden sehr viele Aspekte eines durchgängigen Prozessmanagements an verschiedenen Stellen angesprochen, doch liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der Durchführung eines Projektes zur prozessorientierten Reorganisation. Die Vorgehensweise zur Einführung eines Prozessmanagements im Unternehmen sieht also vor, dass zunächst ein umfassendes, unternehmensweites Reorganisationsprojekt durchgeführt wird, in dessen Folge die Aufgaben des Prozessmanagements institutionalisiert werden sollen. Derart umfassende Reorganisationsprojekte haben sich in der Praxis nicht unbedingt durchgesetzt. Es wäre wünschenswert, wenn diese unterschiedlichen Ansätze zumindest thematisiert würden.
Es wird sehr ausführlich auf die Prozessmodellierung mit ARIS und damit zusammenhängende Aspekte eingegangen, wie z. B. Modellierungskonventionen und die Organisation und Vorbereitung der Prozessmodellierung. Teilweise sind die Ausführungen sehr detailliert. So wird beispielsweise diskutiert, welche Farben und Zeichensätze sich für die Darstellung eines „Ordnungsrahmens“ (einer griffigen Übersichtsdarstellung der Unternehmensprozesse) eignen.
Erfreulich ist die Offenheit, mit der die Erfahrungen aus der in Teil A verwendeten Fallstudie geschildert werden. So wird beispielweise konstatiert, dass der Nutzen der in dem Projekt recht ausführlichen Modellierung der Ist-Prozesse im Verhältnis zum Aufwand recht gering war, da sich viele Schwachstellen auch ohne detaillierte Ist-Modelle hätten erkennen lassen und die Modelle nur zu einem geringen Grad wiederverwendet werden konnten (S. 168).
Das Buch ist aufgrund der vielen dargestellten Themen und den praxiserprobten Vorgehensweisen und Methoden eine nützliche Fundgrube. Leider wurde es seit der ersten Auflage aus dem Jahr 2000 nicht konsequent an allen Stellen aktualisiert, weshalb es an manchen Stellen auf dem Stand von vor acht Jahren geblieben ist. Bei diesem Thema ist in der Zwischenzeit so viel passiert, dass dies ein echtes Manko ist. Insbesondere wenn es um IT-Systeme und konkrete Produkte geht, ist ein Update unumgänglich. So werden etwa Probleme bei der Publikation von Prozessmodellen mit einer ARIS-Version aus den neunziger Jahren erläutert. Auch die Darstellung von Workflowtechnologien ist nicht auf dem Stand des Jahres 2008. So findet sich im Stichwortverzeichnis zwar „CORBA“, nicht aber „SOA“, „Web Service“ oder „BPMS“. Das Stichwort „Service“ taucht einmal auf, aber ausschließlich im Sinne von „Kundendienst“. Auch andere aktuelle Diskussionen, z. B. im Zusammenhang mitGovernance, Risk and Compliance (GRC) werden nicht diskutiert.
Das soll das Verdienst der Autoren nicht schmälern: Der größte Teil der Inhalte ist nach wie vor richtig und wertvoll. Insbesondere, wer die ARIS-Produktpalette zur Prozessmodellierung und zum Performance Management verwendet, wird viele nützliche Anregungen finden. Für die nächste Auflage wäre dennoch eine richtige Generalüberholung einiger Kapitel wünschenswert.
Becker, J.; Kugeler M.; Rosemann, M. (Hrsg):
Prozessmanagement. Ein Leitfaden zur prozessorientierten Organisationsgestaltung.
6., überarbeitete und erweiterte Auflage.
Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2008.
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