Ein Artikel in der Harvard Business Review argumentiert, dass der Umgang mit manchen Prozessen eher im Sinne einer Kunst als einer Wissenschaft betrieben werden sollte. In vielen Bereichen habe die vielfach gepredigte Standardisierung aller Prozesse keineswegs zu optimalen Prozessen geführt. Dort, wo man es mit starken Variationen im Prozess und sich häufig ändernden Rahmenbedingungen zu tun hat, sei der künstlerische Ansatz angemessen. Als Beispiel wird eine Kette von Luxushotels genannt, die früher eine detaillierte Liste mit sehr genauen Anweisungen für den Umgang mit den Gästen verwendete. Mittlerweile haben sich Erwartungen und Verhalten der Gäste geändert, und eine neue Liste hätte sehr viel mehr Regeln enthalten müssen, um alle wichtigen Fälle abzudecken. Stattdessen hat man sich entschlossen, nur noch einige wenige Grundsätze vorzugeben, und den Mitarbeitern die Freiheit einzuräumen, selbst angemessen zu reagieren. Die Kundenzufriedenheit habe dadurch deutlich zugenommen.
Interessant ist hierzu eine Erwiderung von Mitchel Gooze. Im Kern stimmt er zwar der Aussage zu, dass es Prozesse gibt, die sehr viel Flexibilität erfordern. Er verwehrt sich jedoch dagegen, den Umgang mit solchen Prozessen als Kunst zu bezeichnen. Im Gegenteil: Aufgabe des Prozessmanagements sei es, jeden Prozess mit so viel Flexibilität auszustatten wie erforderlich. Hierfür müssen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen und beispielsweise systematisch Feedback zur Prozessverbesserung genutzt werden. Im Beispiel des Hotels bedeutet dies etwa, dass die Mitarbeiter geschult werden und Rückmeldungen von Kunden dazu genutzt werden, das individuelle Verhalten anzupassen.
Dies ist meines Erachtens eine sehr wichtige Klarstellung. Prozessmanagement bedeutet eben nicht, jeden Prozess bis ins letzte Detail durchzuplanen und zu standardisieren.