Nach wie vor gehört es zu den längst nicht befriedigend gelösten Fragen, wie man im BPM-SOA-Umfeld am besten von fachlichen Modellen zur Implementierung gelangt. Die Dissertation von Sebastian Stein leistet hierzu mehrere nützliche Beiträge. Am Beispiel der ARIS EPK (ereignisgesteuerte Prozesskette) zeigt er, wie fachlich orientierte Geschäftsprozessmodelle erweitert werden können, um eine nahtlose Umsetzung in ausführbare Prozesse zu erreichen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ansätzen verfolgt er hierbei konsequent den Ansatz, die fachliche Modellierung völlig frei von Implementierungsaspekten zu halten. So tauchen auf dieser Ebene beispielsweise keine Web Services sondern lediglich Business Services auf, die u. a. über definierte Fähigkeiten (Capabilities) verfügen und fachliche Business-Objekte als In- und Output verwenden. Die Implementierung eines Business Service kann prinzipiell auf unterschiedliche Weise erfolgen, Web Services stellen hierbei eine Möglichkeit dar.
Im Sinne einer hohen Wiederverwendung sollen, wo immer dies möglich ist, vorhandene Services genutzt werden. Stein stellt eine Anwendung zur Service Discovery vor, die dem Modellierer eines Prozesses hilft, die passenden Services zu finden. Hierzu werden einerseits In-und Outputs der betreffenden Aktivitäten verglichen, andererseits die Beschreibungen der Fähigkeiten ausgewertet.
Im zweiten Schritt geht es um die Umsetzung des fachlichen Prozessmodells in eine ausführbare Beschreibung. Bei der entwickelten Transformation von EPK zu BPEL geht es ihm dabei nicht nur um die horizontale Umwandlung von einer Notation in eine andere, sondern um eine vertikale Transformation, bei der insbesondere technische Aspekte, wie z. B. die verwendeten Web Services, hinzugefügt werden. Auch kümmert er sich nicht ausschließlich um den Kontrollfluss, sondern auch um die Umsetzung des Datenmodells.
Die praktische Anwendung der Service Discovery und der Transformation wird an einer Fallstudie aus dem elektronischen Melderegister des Landes Mecklenburg-Vorpommern demonstriert.
Im letzten Teil der Arbeit untersucht Stein die Nutzung von semantischen Technologien im BPM/SOA-Umfeld. Hierbei werden z. B. die Fähigkeiten von Services auf Basis von Ontologien beschrieben. Die Begriffe einer Ontologie und ihre Beziehungen zueinander sind so strukturiert, dass sie maschinell ausgewertet werden können, um z. B. Schlussfolgerungen zu ziehen. Somit können beispielsweise geeignete Services gefunden werden, auch wenn die Namen der angebotenen und gesuchten Fähigkeiten verschieden sind, diese aber inhaltlich zueinander passen. Neben der Unterstützung beim Finden von Services können solche semantischen Beschreibungen auch verwendet werden, um die aufzurufenden Services erst während der Prozessausführung zu bestimmen. In der Dissertation wird dargestellt, wie die EPK um semantische Annotationen erweitert werden kann. Zudem wird eine einfache Anwendung gezeigt, mit der die benötigten Konzepte aus einer bestehenden Ontologie ausgewählt und zu einem Modell hinzgefügt werden können.
Die Anwendbarkeit dieser Technologien wird einer zweiten Fallstudie gezeigt, bei der Methode und Tool von einer Reihe erfahrener Modellierern in einem konkreten Anwendungsfall eines Telekommunikationsunternehmens ausprobiert wurden. Das Fazit der Probanden fällt gemischt aus. Zwar werden Nutzen und Potenzial semantischer Technologien gesehen, doch können diese durch die heute verfügbaren Tools noch nicht sinnvoll genutzt werden.
Die praktische Nutzung semantischer Technologien im Geschäftsprozessmanagement benötigt sicherlich noch eine Reihe von Weiterentwicklungen, doch die anderen in der Dissertation vorgestellten Ansätze sind hochaktuell. Teilweise wurden die betreffenden Entwicklungen in die ARIS-Modellierungsplattform aufgenommen. Doch die Prinzipien sind auch für andere Notationen und Tools hilfreich.
Sebastian Stein, der die ArisCommunity koordiniert, hat den Werdegang seiner Dissertation in seinem lesenswerten Promotionsblog kommentiert. Nach Abschluss der Promotion und seinem Umzug nach Berlin bloggt er nun unter dem neuen Titel „Sent from Hauptstadt“.