Alle zwei Jahre wird die BPM-Umfrage von BPTrends durchgeführt. Jetzt sind die Ergebnisse der vierten Befragung erschienen, wobei insbesondere der Vergleich der Ergebnisse seit 2005 interessant ist. Die Autoren der Studie lesen aus ihren Zahlen erstmals eine deutliche Veränderung hinsichtlich des Prozessmanagement-Reifegrades heraus. Es scheint mehr Unternehmen zu geben, die ein konsequentes unternehmensweites Prozessmanagement betreiben.
Um Aussagen über den Reifegrad machen zu können, wurden die Teilnehmer befragt, ob und in welchem Maße in ihrem Unternehmen bestimmte Prozessmanagement-Praktiken umgesetzt werden, wie z. B. aktualisierte Prozessdokumentationen, standardisierte Prozesse, Prozessmanagement-Ausbildung, oder die Nutzung von Performance-Daten für die Prozess-Steuerung. Nach wie vor geben die meisten Teilnehmer an, dass sie diese Praktiken eher gelegentlich einsetzen. Allerdings ist die Zahl derer gestiegen, die angaben, die betreffenden Prozessmanagement-Aktivitäten häufig, meistens oder immer durchzuführen. Bei einem genaueren Blick auf die Zahlen ist die Steigerung nicht ganz so bemerkenswert, wie man dies aufgrund der einführenden Zusammenfassung erwartet hätte. Hier muss man sicherlich abwarten, ob sich dieser Trend in weiteren Umfragen bestätigt. Es scheinen auch vergleichsweise wenige Firmen zu sein, die das Thema wirklich konsequent umsetzen.
Immerhin vermelden 31%, dass das Thema BPM strategische Bedeutung bei ihrem Top-Management genießt. Diese Zahl war 2009 in der Finanzkrise deutlich gesunken gewesen. Weitere 30% vermelden unternehmensweite Prozess-Projekte. Bei diesen erfreulichen Zahlen ist allerdings zu bedenken, dass die Umfrage unter den Lesern des BPTrends-Reports durchgeführt wurde. Vertreter von Firmen, bei denen das Thema kaum eine Rolle spielt, sind daher zwangsläufig unterrepräsentiert.
Gefragt wurde u. a. auch, welche Standards des Prozessmanagements die Unternehmen anwenden oder künftig einsetzen wollen. Zur Auswahl standen hier Standards für ganz unterschiedliche Fragestellungen, wie z. B. ISO 9000 (Qualitätsmanagement-System), CMMI (Reifegradmodell), BPEL (Technische Ausführungssprache), EPK oder BPMN (Modellierungsnotationen). Bemerkenswert ist hierbei, dass die BPMN mit großem Abstand am häufigsten genannt wurde. Das Interesse an der Standardnotation stieg seit 2005 kontinuierlich von 22% auf nunmehr 60%.
Bei den eingesetzten Werkzeugen gab es eine interessante Verschiebung von den Repository-basierten Modellierungs-Suiten hin zu Business Process Management-Systemen (BPMS), die Prozesse ausführen können. Die Autoren führen dies darauf zurück, dass viele Modellierungstoolhersteller von BPMS-Herstellern aufgekauft wurden, so dass deren Kunden nun über komplette BPMS verfügen. Das passt damit zusammen, dass 46% angaben, dass sie ihr BPMS zur Prozessdefinition verwenden, ohne die Prozesse auch auszuführen. Andererseits erwerben die Anwender von Modellierungswerkzeugen ja nicht automatisch die komplette BPM-Suite, wenn der Hersteller von einem BPMS-Anbieter aufgekauft wurde. Nachdenklich stimmt die Tatsache, dass die häufigsten und explizit als besonders wichtig eingeschätzten BPM-Tools nach wie vor reine Zeichentools wie Visio oder Powerpoint sind.
Als größte Herausforderung für das Prozessmanagement wurde diesmal übrigens nicht der fehlende Top-Management-Support genannt, sondern die Vielzahl unterschiedlicher, nicht aufeinander abgestimmten Initiativen zur Prozessverbesserung, die im Unternehmen laufen.