Einen interessanten Ansatz verfolgt die Firma E2E mit ihrer Integrationsplattform e2eBridge. Dabei erfolgt die gesamte Spezifikation praktisch ausschließlich mit Hilfe von grafischen Modellen. Neben der Prozessmodellierung mit BPMN werden auch Datenstrukturen, Services, Transformationen, usw. modelliert. Dafür kommt als Notation die UML zum Einsatz. Die UML-Modelle werden auch nicht erst in Choreographie-Sprachen oder Programmcode übersetzt, sonderen direkt auf einer eigenen Engine ausgeführt. Die E2E-Bridge bietet keine klassischen Benutzer-zentrierten Workflows, sie adressiert ausschließlich automatisierte Prozesse zur Integration heterogener Informationssysteme. Für dieses Einsatzszenario muss die Plattform eine hohe Performance und eine gute Skalierbarkeit bieten. Systeme, bei denen Modelle zur Laufzeit interpretiert werden, haben oftmals Probleme mit der Performance. Da die Modelle und die Ausführungs-Engine aber genau aufeinander abgestimmt sind und sich keine weiteren Schichten dazwischen befinden, gelingt es auch sehr große Zahlen von Prozessinstanzen effizient abzuwickeln.
Typischerweise wird die Plattform bei Unternehmen mit einer großen Zahl von bereits existierenden, heterogenen Systemen eingesetzt. Die e2eBridge vereinfacht die Integration dieser Systeme und den Aufbau durchgängig automatisierter Prozesse ohne aufwändig zu realisierende Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Zu den Referenzkunden zählen z. B. die UBS-Bank, der Kamerahersteller Nikon und die führende Schweizer Modekette PKZ. Letztere nutzte die e2eBridge dazu, die verschiedenen Verkaufskanäle Internet und Ladengeschäfte zu integrieren. Damit es möglich ist, ein Kleidungsstück im Webshop zu bestellen und es am nächsten Tag in einem bestimmten Laden abzuholen, müssen die Bestands- und Bestellinformationen in Echtzeit in allen Systemen aktualisiert werden.
Bei Nikon Europa wird die Plattform eingesetzt um eine einheitliche Sicht auf Kunden- und Produktinformationen zu ermöglichen und die Vertriebsprozesse in 35 Ländern zu harmonisieren und zu automatisieren. Dabei müssen die Prozesse häufig geändert werden. Die erforderlichen Anpassungen werden z. T. innerhalb weniger Stunden konzipiert, realisiert, getestet und live geschaltet.
Der Entwicklungsprozess sieht vor, dass sich Fachanwender, Entwicklung und IT-Betrieb gemeinsam auf ein Prozessmodell einigen. Das BPMN-Modell dient damit als vertragliche Vereinbarung zwischen diesen Beteiligten. Die Entwickler können das Modell auch nicht von sich aus verändern, sondern lediglich verfeinern und anreichern. Damit legt das vereinbarte Modell verbindlich fest, wie der Prozess nachher abläuft. Dies hat den Vorteil, dass die Fachseite von vornherein in die Pflicht genommen wird, ihre Anforderungen eindeutig und genau festzulegen. Stellt sich der Prozess als ungeeignet heraus, kann man sich nicht auf eine falsche Interpretation seitens der Entwickler zurückziehen. Da der IT-Betrieb von vornherein einbezogen wird, werden Probleme bei der Produktivsetzung neu entwickelter Prozesse vermieden.
In der e2e-Bridge lässt sich fast alles mit Hilfe von Modellen definieren. Damit kommt der Ansatz dem Zero-Coding-Prinzip sehr nahe, das häufig sehr kritisch betrachtet wird. Das System bietet aber auch die Möglichkeit, kurze Code-Sequenzen zu nutzen, wenn dies effizienter ist als das komplette Ausmodellieren eines Sachverhalts.
Auch in einem komplett automatisierten Prozess können Probleme auftreten, z. B. wenn eine Anwendung fehlerhafte Daten liefert. In einem solchen Fall wird die betreffende Prozessinstanz an einen Mitarbeiter zur Bearbeitung und Lösung des Problems weitergeleitet. Der Bearbeiter hat hierbei auch die Möglichkeit sich den tatsächlichen bisherigen Verlauf der betreffenden Prozessinstanz anzeigen zu lassen.
Die modellbasierte Entwicklung ermöglicht es nicht nur alle Beteiligten frühzeitig einzubeziehen, sondern auch den Aufwand für die Entwicklung zu reduzieren. Typischerweise wird nur ein einziger E2E-Berater in den Projekten benötigt. Die Firma verspricht potenziellen Kunden innerhalb von drei Tagen einen Proof of Concept für einen realen von Kundenseite vorgegebenen Prozess, bei dem der Schuh drückt.
Die grafischen Modelle stellen zugleich die Dokumentation dar. Damit entfällt nicht nur der Aufwand für eine separate Dokumentation, sondern es ist zugleich sichergestellt, dass die Dokumentation immer aktuell dem entspricht, was tatsächlich implementiert ist. Schließlich können die Modelle auch zum Generieren von Testfällen genutzt werden. Zur Fehlerbehebung dient ein Modell-Debugger.
Im Gegensatz zu manch großem Technologieanbieter bietet E2E also keine Komplettlösung für alle Arten von Prozessen. Stattdessen fokussiert der Anbieter ganz klar auf die prozessorientierte Integration verschiedener Systeme. In diesem Anwendungsbereich dürfte das Produkt mit seinem modellbasierten Ansatz insbesondere für größere Firmen sehr interessant sein, zumal es auch die notwendige Performance und Skalierbarkeit mitbringt. In wieweit es tatsächlich immer sinnvoll ist, alle Details komplett grafisch zu modellieren, muss die praktische Erfahrung im Zusammenspiel von Business und IT zeigen.
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