Überall ist derzeit die Rede vom „Internet of Things“ (IoT). Doch welche konkreten Anwendungen gibt es bereits? Und vor allem: Was bedeuten die aktuellen Entwicklungen für das eigene Unternehmen, und wie kann man im Internet der Dinge erfolgreich sein? Wer sich mit diesen Fragen beschäftigt, kommt an dem englischsprachigen Buch „Enterprise IoT“ (Anzeige) nicht vorbei. Das umfassende Werk dürfte für verschiedene Zielgruppen gleichermaßen interessant sein: Sowohl für Einsteiger in die Thematik, als auch für Manager und Projektleiter, aber auch für Software- und System-Architekten.
Einsteiger in das Thema dürften vor allem vom ersten Teil des Buchs profitieren, in dem die Grundlagen des IoT, wichtige Anwendungsgebiete und ausführliche Fallstudien beschrieben werden. Letztere stammen aus den Bereichen Energie, Industrie, Autos und Verkehr sowie „Smart Cities“. An den untersuchten Beispiele wird die Vielfalt des Themengebiets deutlich. So wird das Internet der Dinge in der Energieversorgung nicht nur für die automatische Verbrauchserfassung und -optimierung genutzt, sondern z. B. auch für die Überwachung und Diagnose von Kraftwerken oder die Koordination verschiedener Energie-Erzeuger und -Verbraucher. Ein Beispiel aus dem industriellen Umfeld ist die Demonstrationsanlage „Smart Factory“ in Kaiserslautern, wo individuelle Produkte mit der Losgröße 1 hergestellt werden. Die Produktionsanlage besteht dort aus autonomen Modulen, die innerhalb von Minuten neu konfiguriert und zusammengestellt werden können. Weitere Fallstudien beschreiben die intelligente Chargenverfolgung in einer Chipfabrik, das Flottenmanagement für Reinigungsmaschinen und das Management der Kühlkette in der Lebensmittel-Logistik. Ein etwas außergewöhnliches Beispiel ist die Erfassung und Auswertung riesiger Datenmengen am Teilchenbeschleuniger des Europäischen Kernforschungszentrums CERN.
Im Bereich Auto und Verkehr ist eine spannende Frage, wann mit selbstfahrenden Autos im breiten Einsatz zu rechnen ist. Doch bereits jetzt gibt es viele weitere Einsatzbereiche, bei denen das Internet der Dinge eine wichtige Rolle spielt, z. B. in den Bereichen Car Sharing, Elektro-Mobilität oder Flottenmanagement. Die vorgestellten IoT-Szenarien im kommunalen Bereich unterscheiden sich ebenfalls sehr stark voneinander. Hauptanwendungsgebiete sind zur Zeit Parkplatz-Management sowie Licht- und Wasserversorgung. Aber auch in der Müllentsorgung sind neue Konzepte möglich, z. B. Mülltonnen, die selbständig die Müllabfuhr rufen, wenn sie voll sind. Die Ausführlichkeit der Fallstudien ist unterschiedlich. Insbesondere in den Bereichen Energie und Industrie finden sich zahlreiche sehr umfassende Beschreibungen. Darin werden das jeweilige Szenario mit den verwendeten Komponenten und Technologien erläutert sowie besondere Herausforderungen und gewonnene Erkenntnisse diskutiert. Abgerundet wird dies in vielen Fällen durch Interviews mit Projektverantwortlichen.
Basierend auf den untersuchten Fallstudien entwickeln die Autoren im zweiten Teil des Buchs ihre IoT-Methodik „Ignite“. Diese Methodik ist zweigeteilt. In der ersten Phase, „Strategy Execution“, geht es um die Verortung des Themas IoT in der Unternehmensstrategie, die Identifikation und Ausarbeitung von Marktchancen, und die Initiierung von Projekten. Hierfür werden verschiedene Instrumente vorgestellt, z. B. ein Framework zur Entwicklung eines IoT-Business Models. In größeren Unternehmen, bei denen das Thema IoT an vielen Stellen eine Rolle spielen kann, ist es hilfreich, ein IoT-Kompetenzzentrum aufzubauen, das das betreffende Know-how bündelt. Zudem sollte eine einheitliche technische IoT-Plattform aufgebaut werden, die in verschiedenen Projekten verwendet werden kann.
Im Gegensatz zur Strategie-Phase, die vor allem für das Management interessant ist, richten sich die Ausführungen zur zweiten Phase, „Solution Delivery“, vorrangig an Projektleiter und System-Architekten. Darin geht es um die Planung und Implementierung konkreter Projekte sowie den Betrieb der entwickelten Lösung. Dies stellt eine große Herausforderung dar, da so verschiedene Disziplinen wie Produktentwicklung, Produktion, Unternehmens-IT, eingebettete Systeme, Telekommunikation usw. einbezogen werden müssen. Insbesondere das Aufeinandertreffen so unterschiedlicher Kulturen wie die der Internet-Entwicklung und die des Maschinenbaus macht die Zusammenarbeit schwierig. Die Ignite-Methodik beschreibt den gesamten Lifecyle für eine Lösung und stellt für die einzelnen Disziplinen verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung. Dabei wird von einer groben Grundstruktur „Plan – Build – Run“ ausgegangen, doch kann auch ein agiles Vorgehen gewählt werden.
Schließlich werden die verschiedenen Bausteine einer IoT-Lösung beschrieben. Zur Charakterisierung des jeweiligen IoT-Projektes wird ein Kriterienkatalog verwendet, der zum Vergleich mit anderen Projekten und zur Auswahl der geeigneten Lösungsarchitektur genutzt werden kann. Die grundlegende Architektur kann mit Hilfe eines „Asset Integration Architecture“-Schemas dokumentiert werden. Anschließend werden die verschiedenen Technologien erläutert, die in einer IoT-Lösung zum Einsatz kommen, z. B. Gateways und Sensor-Netzwerke, unterschiedliche Kommunikationsmöglichkeiten, Cloud-Dienste und Anwendungsplattformen. Weitere besprochene Themen sind Benutzerinteraktionen, Sicherheit und der Zusammenhang des IoT mit den Themen Big Data und Prozessmanagement.
Auch wenn man für den konkreten Einsatz der vorgestellten Technologien Spezialisten mit tiefergehendem Know-how benötigt, wird doch ein guter Überblick über die prinzipiell zur Verfügung stehenden Technologien gegeben, sowie ein grundsätzliches Verständnis über ihre Möglichkeiten und Grenzen.
Im dritten Teil des Buchs wird die Ignite-Methodik in einem konkreten Projekt angewandt. Dabei handelt es sich um ein „Testbed“ des Industrial Internet Consortiums, d. h. eine experimentelle Anwendung für eine konkrete Problemstellung aus der Praxis. Dabei handelt es sich um die Konfiguration, das Management und die Überwachung des Einsatzes tragbarer Elektrowerkzeuge in der Montage.
Die Inhalte des Buchs wurden im Sinne des Open Publishing-Gedankens während ihres Entstehens nach und nach auf der Webseite enterprise-iot.org veröffentlicht. Sie stehen dort nach wie vor zur Verfügung, so dass man vor Erwerb des Buches bereits wesentliche Teile in einer Vorabversion lesen kann.
Dirk Slama, Frank Puhlmann, Jim Morrish, Rishi Bhatnagar:
Enterprise IoT: Strategies and Best Practices for Connected Products and Services.
O’Reilly 2015.
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