Welche Rolle spielt das Prozessmanagement für die digitale Transformation von Unternehmen? Diese Frage untersuchten Wissenschaftler der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in ihrer diesjährigen Studie zum Business Process Management. Zwar wird immer wieder betont, dass erfolgreiche Digitalisierungsprojekte nicht ohne optimal darauf abgestimmt Geschäftsprozesse funktionieren, doch scheinen sich die meisten Prozessmanagement-Aktivitäten nach wie vor eher um die Effizienz interner Prozesse als etwa um das Kundenerlebnis zu kümmern. Und in der Tat wird Effizienz von einem sehr großen Teil der in der Studie Befragten als Zielsetzung des Prozessmanagements genannt. Die wichtigste Motivation stellt aber das Erreichen einer hohen Transparenz dar. Und auch die Kundenzufriedenheit gewinnt als Prozessmanagement-Ziel an Bedeutung. Sie wird mittlerweile ähnlich hoch priorisiert wie die Effizienz.
Die Macher der Studie konstatieren, dass die durch das Prozessmanagement gewonnene Transparenz durchaus genutzt wird, um Digitalisierungspotenzial für Kundeninteraktionen und schwach strukturierte Prozesse zu identifizieren – allerdings erfolgt dies vielfach nicht systematisch. So werden etwa Prozessmodelle meist nicht mit Customer Journeys verknüpft, wie sie in Digitalisierungsinitiativen zum Einsatz kommen. Es ist daher zu befürchten, dass neu entwickelte Front-End-Lösungen nicht in Form durchgängiger Prozesse mit den Back-End-Systemen integriert werden und somit neue Silos entstehen. Auch bei der Flexibilisierung von Prozessen sind viele Unternehmen noch zögerlich. So fristet das Thema „Adaptive Case Management“ nach wie vor ein Schattendasein. Ähnlich sieht es mit der Nutzung von Kundendaten aus: Nur selten werden diese Daten zur kundenorientierten Optimierung und Gestaltung der Prozesse genutzt.
Zusätzlich zur Online-Befragung wurden im Rahmen eines Workshops fünf Fallstudien untersucht, die im Studienbericht ausführlich vorgestellt werden. Sie stammen aus unterschiedlichen Branchen wie Fahrzeug-Leasing, Versicherungen, öffentlicher Verwaltung und Telekommunikation. Dabei handelt es sich zum Teil tatsächlich um die durchgängige Digitalisierung von Kundeninteraktionen und die Veränderung von Geschäftsmodellen. So etwa im Falle eines Fahrzeug-Leasing-Anbieters, dessen Vertrieb bislang hauptsächlich über Fahrzeughändler erfolgte. Künftig kann die Abwicklung auch komplett online erfolgen, wobei sich der Leasingnehmers per Video identifiziert. Ein Projekt des Kantons Zürich ermöglicht es den Bürgern, sämtliche mit einem Umzug verbundenen Behördeninteraktionen komplett elektronisch abzuwickeln. Andere Projekte befassen sich eher mit herkömmlicher Prozessautomatisierung, beispielsweise für das Service Management. Vielfach sind zunächst interne Prozessverbesserungen als Voraussetzung für die Digitalisierung der kundenbezogenen Prozesse erforderlich.
Im Fazit fordern die Autoren der Studie, dass sich das Prozessmanagement stärker mit den Methoden und Werkzeugen anderer Managementdisziplinen auseinandersetzen müsse, wie z. B. Innovationsmanagement, Enterprise Architecture Management, Wissensmanagement und Customer Experience Management. Dann könnten Chancen und Grenzen der Prozessdigitialisierung wirksamer ausgelotet werden.