Der Autor dieses Buchs lässt keinen Zweifel daran, dass es bei der Digitalisierung von Unternehmen ganz wesentlich auf die Prozesse ankommt: „Sie können an vielen Stellen ansetzen, wenn Sie ein Unternehmen verändern wollen. Setzen Sie an den Prozessen an, dann betätigen Sie den mit Abstand größten Hebel.“ Er arbeitet heraus, welche Möglichkeiten die zunehmende Automatisierung und Integration der Prozesse bieten, insbesondere wenn sämtliche Komponenten entlang der Prozessketten mit Sensoren ausgestattet sind. Prozesse werden zunehmend zu neuen Prozessketten vernetzt. Z. B. kommen bei selbstfahrenden Autos Automotive- und Telekommunikationsprozesse zusammen. Auch die Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen bis hin zur Losgröße 1 erfordert ausgeklügelte Prozesse.
Anhand einer Checkliste können die Leser den Digitalisierungsgrad ihrer eigenen Prozesse einschätzen. Es werden sechs Entwicklungsstufen der Prozessdigitalisierung unterschieden, die sich vor allem durch die Art der Datennutzung unterscheiden. Die unteren Stufen beschreiben die herkömmliche Situation, in der Prozessdaten eher punktuell und lückenhaft erfasst und bestenfalls in Form von Standardberichten ausgewertet werden. Auf den höheren Entwicklungsstufen werden die tatsächlich gemessenen Abläufe analysiert und das künftige Prozessverhalten prognostiziert. Auf der höchsten Stufe, der Prozessautonomie, können Prozesse Abweichungen eigentständig korrigieren und sich selbständig verbessern.
Als Voraussetzung für den Aufbau digitaler Prozesse sind zunächst die ganz herkömmlichen Aufgaben der Prozessoptimierung zu erledigen, d. h. zunächst Transparenz zu schaffen, existierende Abläufe zu analysieren, zu verbessern und zu automatisieren. Erst auf dieser Grundlage ist es erfolgversprechend, die nächsten Stufen auf dem Weg zu vorhersagbaren und autonomen Prozessen anzugehen. Entsprechend beschäftigt sich ein großer Teil des Buchs mit den typischen Aufgaben im Rahmen der Prozessoptimierung, wie der Auswahl von Prozessberatern, der Prozessanalyse, organisatorischen Veränderungen, Process Governance und der nachhaltigen Verankerung von Veränderungen. In diesen Kapiteln wird die umfangreiche Praxiserfahrung des Autors deutlich.
Womit sich das Buch weniger beschäftigt ist die eigentliche Prozessautomatisierung und die damit zusammenhängenden Themen wie Business Process Management-Systeme, Robotic Process Automation oder das Zusammenspiel von Business und IT im Kontext prozessbezogener Anwendungen. Und so verbleibt eine gewisse Lücke zwischen den organisatorischen Aspekten und der Umsetzung in IT.
Nicht zuletzt spielt im Zusammenhang mit der digitalen Transformation auch die komplette Neuentwicklung von Prozessen eine große Rolle. Wenn digitale Geschäftsmodelle oftmals in völlig neuen Organisationseinheiten umgesetzt werden, wie dies häufig der Fall ist, dann nützen die herkömmlichen Ansätze der Prozessoptimierung eher wenig.
Auch wenn somit nicht alle möglichen Aspekte des Themengebiets besprochen werden, lohnt die Lektüre in mehrfacher Hinsicht. Erstens leistet das Buch mit der Gesamtsicht auf die Prozessdigitalisierung einen relevanten Beitrag zum Verständnis der zentralen Rolle von Prozessen für die Digitalisierung. Zweitens liefert es einen lesenswerten Überblick über die Historie des Themas Geschäftsprozesse. Und drittens bietet es einen nützlichen und praxisorientierten Leitfaden für die Prozessoptimierung.
Hierzer, Rupert:
Prozessoptimierung 4.0. Den digitalen Wandel als Chance nutzen.
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