Als leichtgewichtiges Prozessmodellierungstool präsentiert sich ViFlow, das von der Hannoverschen Firma ViCon entwickelt und vertrieben wird. Wie einige andere Tools auch, verwendet die Software Microsoft Visio als grafische Modellierungskomponente und ergänzt diese um eine Datenbank und spezielle Funktionalitäten. Die Nutzung einer Datenbank hat insbesondere den Vorteil, dass Objekte unabhängig vom jeweiligen grafischen Modell verwaltet werden. Sie können hierdurch in mehreren Modellen verwendet und miteinander in Beziehung gesetzt werden.
Auf den ersten Blick bietet ViFlow nur einen Modelltyp an, nämlich das Prozessmodell. Die verwendete Notation orientiert sich an keinem verbreiteten Standard. Zwar umfasst sie bekannte Elemente wie Swimlanes und als Rechtecke dargestellte Aktivitäten, doch ist etwa die Verwendung von Sechsecken für Entscheidungen zumindest gewöhnungsbedürftig. Auch die Auswahl der verwendbaren Objekttypen ist recht überschaubar: Neben Aktivitäten gibt es noch Verzweigungen, Datenflüsse, Datenobjekte und Bereiche. Bei Bereichen kann es sich z. B. um Organisationseinheiten oder IT-Systeme handeln. Sie können in Prozessmodellen als Swimlanes dargestellt werden. Bereiche lassen sich auch hierarchisch gliedern. Dadurch lässt sich z. B. die Struktur einer Aufbauorganisation abbilden. Allerdings erfolgt das nicht in einem grafischen Modell, sondern in einer Explorer-Struktur.
Vielfältige Symbole und hinterlegte Informationen
Man erhält bei der Modellierung recht wenig methodische Unterstützung. So handelt es sich bei dem für Entscheidungen verwendeten Sechseck um ein reines Symbol, hinter dem sich eigentlich auch nur eine Aktivität verbirgt. Somit lässt sich z. B. nicht sicherstellen, dass für alternative Zweige immer das Entscheidungssymbol verwendet wird. Verwendet man die erweiterte ViFlow-Schablone, so stehen einem zusätzliche Symbole zur Verfügung, mit denen man z. B. Prozesslandkarten modellieren kann. Doch auch hier handelt es sich lediglich um weitere grafische Symbole für die bereits genannten Objekttypen. Immerhin sind dort auch weitere Symbole für Bereiche enthalten, die man beispielsweise verwenden kann, um Organigramme oder IT-Systemlandschaften abzubilden. Leider scheint auch hier keine richtige Methodenunterstützung möglich zu sein, die beispielsweise sicherstellen könnte, dass man in einem Organigramm tatsächlich nur Organisationseinheiten miteinander verbindet.
Für jeden Objekttyp stehen eine Reihe von Attributen zur Verfügung. Für Aktivitäten sind dies neben beschreibenden Attributen z. B. Dauern und andere Kennzahlen, Potenziale, selbst definierte Attribute, Daten und Beteiligte. Für beteiligte Rollen und Organisationseinheiten können verschiedene Beteiligungsarten angegeben werden, wie z. B. „Durchführender“, „Mitwirkender“ oder „Entscheider“. Datenobjekte können außerdem mit Dateien und Hyperlinks versehen werden. Auch eine Versionierung von Prozessen und Objekten ist möglich.
Wem die Standard-Darstellung in ViFlow nicht gefällt, der kann das Erscheinungsbild über Grafikvorlagen anpassen. Auch kann man eigene Symbole definieren. Etwas versteckt im Support-Bereich der ViCon-Webseite findet sich übrigens auch eine Schablone mit den wichtigsten BPMN-Symbolen für Prozesse und Kollaborationen. Zwar umfasst diese nur einen Teil der gesamten BPMN, und im Hintergrund werden auch nur die bereits vorhandenen ViFlow-Objekttypen verwendet, doch könnte die Verwendung einer Standardnotation z. B. die Kommunikation mit dem IT-Bereich erleichtern. Erstaunlich, dass ViCon diese Möglichkeit nicht deutlicher herausstellt.
Leistungsfähiger Web-Export
Sehr leistungsfähig ist der im Standard mit enthaltene Web-Export, der die Modelle mitsamt ihren Details, Attributen und Hinterlegungen veröffentlichen kann. Sie lassen sich damit allen Mitarbeitern im Intranet zur Verfügung stellen. Auch eine barrierefreie Webdarstellung ist möglich. Eine eigene Reporting-Komponente erlaubt darüber hinaus, verschiedene vordefinierte Berichte zu erzeugen und auch eigene Berichte zu definieren.
Auch wenn ViFlow mit einer Datenbank arbeitet, ist dennoch kein direkter Mehrbenutzerbetrieb möglich. Um die Modelle mehrerer Modellierer zu integrieren, bietet ViFlow einen speziellen „Shared Modeling“-Mechanismus an. Dabei wird eine Master-Datenbank erstellt, die kopiert und an die einzelnen Modellierer verteilt wird. Änderungen der Master-Datenbank lassen sich auf die lokalen Kopien übertragen. Von Zeit zu Zeit muss dann ein Administrator die lokal hinzugefügten Modelle in die Master-Datenbank einspielen. Dieses Verfahren ist natürlich etwas umständlicher als das gemeinsame Modellieren in einer zentralen Datenbank, wie dies von vielen – allerdings häufig teureren – Tools angeboten wird. Für sehr große Modellierungsteams dürfte ViFlow daher weniger gut geeignet sein.
Gut geeignet für kleinere Modellierungsteams
Haupteinsatzbereich für ViFlow ist sicherlich die umfassende Prozessdokumentation, wie sie z. B. für das Qualitätsmanagement und andere Compliance-Themen benötigt wird. Auch Prozessoptimierungen auf organisatorischer Ebene lassen sich ganz gut unterstützen. Wenn es jedoch darum geht, Software für die Prozessunterstützung zu entwickeln oder ausführbare Prozesse für ein BPMS zu definieren, dürfte das Tool an seine Grenzen stoßen. Auf der Website sind zwei Anbieter von Workflow-Systemen genannt, mit denen man ViFlow-Modelle um Ausführungsaspekte erweitern und zur Ausführung bringen kann. Ansonsten muss man für den IT-Bereich eher auf andere Tools ausweichen, zumal auch die verfügbaren Schnittstellen eher in Richtung Office-Programme zielen (z. B. MS Project oder Access).
Die Benutzung ist recht intuitiv, die Einarbeitung wird durch eine Reihe von Videotutorials erleichtert. Dennoch sollte man sich sorgfältig überlegen, wie man die Modelle strukturiert, und dies in Form von Modellierungskonventionen festhalten. Ansonsten wird die Modell-Landschaft schnell uneinheitlich und unübersichtlich. Im Gegensatz zu reinem Visio erstellt man mit ViFlow eben nicht nur einige Zeichnungen, sondern ein durchgängiges Modell der Unternehmensprozesse.
In kleineren Teams, die sich auf Fragen der Organisation und Dokumentation konzentrieren, ist ViFlow sicher eine interessante Alternative zu größeren und teureren Tools. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass man später für weiterführende Fragestellungen ggf. zusätzliche Tools einsetzen muss.
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