Die Nachmittagssitzung begann mit einem Vortrag von Matthias Kunze vom Hasso-Plattner Institut. Er stellte eine Auswertung von knapp 2000 Prozessmodellen vor, die hauptsächlich von Studenten und Dozenten an Hochschulen erstellt wurden. Als Methoden kamen EPKs und BPMN zum Einsatz, das verwendete Tool war Signavio. Es zeigte sich, dass EPKs meist etwas größer als BPMN-Modelle sind. Allerdings sind die allermeisten Modelle sind nicht sehr komplex. Es gibt wenige Zyklen und parallele Abläufe. In beiden Notationen wird zumeist ein sehr eingeschränkter Sprachumfang verwendet, wobei die Zahl der unterschiedlichen in einem Modell verwendeten Konstrukte in BPMN-Modellen etwas größer ist. Aus den jeweils am häufigsten verwendeten Konstrukten zogen die Forscher den bemerkenswerten Schluss, dass BPMN stärker für die Modellierung von Business-Aspekten verwendet wird als EPK.
Cesare Pautasso diskutierte die Frage, wie man die Nutzung von REST-basierten Services in Prozessen modellieren kann. REST (Representational State Transfer) bezeichnet einen Architekturstil für Web-Services, bei dem Ressourcen, wie z. B. Kundendaten, über eine eindeutige Web-Adresse angesprochen werden können. Zur Nutzung und Bearbeitung dieser Ressourcen stehen einheitliche Operationen zum Ändern, Lesen und Löschen zur Verfügung. Ziel der vorgeschlagenen Erweiterung ist es, die Nutzung solcher Ressourcen in ausführbaren Prozessmodellen sichtbar zu machen. Zur Modellierung externer Ressourcen wird ein Datenspeicher mit einem speziellen Symbol verwendet, die Aufrufe der REST-Operationen werden als Nachrichtenflüsse zu diesen Ressourcen modelliert. Es lassen sich aber auch Tasks oder ganze Prozesse in Form von Ressourcen zur veröffentlichen. Hierzu werden sie im Modell mit entsprechenden Symbolen versehen. Als Ergebnis stehen REST-Schnittstellen zur Verfügung, über die man z. B. alle Instanzen eines Prozesses erhalten kann.
Christine Natschläger stellte eine BPMN 2.0-Ontologie vor. Eine solche Ontologie beschreibt die Konzepte, Beziehungen und Regeln eines bestimmten Anwendungsbereichs, in diesem Fall der BPMN. Sie kann dazu dienen, die in der BPMN-Spezifikation nur textuell und mit einigen Diagrammen beschriebene BPMN einheitlich abzubilden, Widersprüche in de Beschreibungen aufzudecken und eine automatische Syntaxüberprüfung zu ermöglichen.
Philipp Effinger von der Universität Tübingen zeigte eine Sammlung von Layout-Patterns für BPMN-Modelle, die die Verständlichkeit erhöhen sollen. Beispiele solcher Patterns sind das geometrische Pattern (gleichmäßige Verteilung von Elementen) oder das Gateway-Pattern, bei dem sich alle Elemente zwischen verzeigendem und zusammenführenden Gateway auch optisch zwischen diese Gateways befinden müssen, d. h. in einem horizontalen Diagramm rechts vom verzweigenden und links vom zusammenführenden Gateway. Das Team der Uni Tübingen entwickelte auch Algorithmen, mit denen existierende Modelle automatisch gemäß den Patterns umgestaltet werden können.
Yvette Hoekstra von Capgemini erläuterte ein Vorgehen zur integrierten Modellierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen und Geschäftsregeln. Es besteht aus den Phasen Wissenssammlung, Strukturierung, Formalisierung und Implementierung. Die schwierigste Frage ist, was im Einzelnen als Prozess und was als Regel zu modellieren ist. BPMN und Notationen für die Modellierung von Business Regeln sind bisher sehr stark voneinander isoliert.
Mit der Choreographie-Modellierung beschäftigt sich Mario Cortes-Cornax von der Universität Grenoble. In seinem Vortrag ging es um die Frage, wie gut die in BPMN 2.0 neu eingeführten Choreographie-Diagramme geeignet sind. Bei der Untersuchung wurden einige Defizite der BPMN Choreographie-Modelle entdeckt. So ist es beispielsweise nicht möglich, Mehrfachnachrichten zu modellieren oder die Weitergabe von Referenzen auf Geschäftspartner. Auch die grafische Darstellung ist nicht immer ideal. So unterscheidet sich eine normalen Choreographie-Aktivität von einer Aufruf-Choreographie-Aktivität nur durch die Strichstärke des Randes. Trotz dieser Schwächen ist die BPMN nach Mario’s Ansicht insgesamt recht gut geeignet für die Choreographie-Modellierung.
Alexandru Caracas von IBM Research demonstrierte, wie man drahtlose Sensornetzwerke mit BPMN modellieren und hieraus Code generieren kann. Hierbei geht es u. a. um Aspekte der Synchronisation, der Kommunikation und des Zeitverhaltens. BPMN erwies sich als gut geeignet. Wünschenswert wäre noch die Hierarchisierung von Pools.
Der Einsatz der BPMN zur Modellierung einer Enterprise Architecture demonstrierte Ricardo Seguel von der Technischen Universität Eindhoven am Beispiel eines Krankenhauses. Hierbei wird BPMN auf allen vier der hier verwendeten Ebenen eingesetzt: Process Architecture, Business Design, Process Logic, IT Process Support. Die Implementierung erfolgte hierbei auf Basis eines BPMS. Auf den höheren Ebenen werden hierbei keine echten Sequenzflüsse im strikten BPMN-Sinne verwendet, sondern eher
Luis Stroppi stellte die Arbeit einer Arbeitsgruppe aus Brasilien, Frankreich und Argentinien vor, die häufig auftretende Workflow Activity Patterns definiert und mit BPMN modelliert haben. Beispiele hierfür sind unterschiedliche Varianten von Genehmigungen, Verarbeitung von Anfragen, Benachrichtigungen oder Entscheidungen.
Im abschließenden Vortrag beschäftigte sich Klaus Sperner von SAP Research mit Entity-basierten Konzepten in Prozessmodellen. Um Abläufe für das „Internet der Dinge“ zu modellieren wird empfohlen, Konzepte wie physische Objekte, sowie Aktoren- und Sensoren-Tasks einzuführen.
Auf dem heutigen Workshop zeigte sich deutlich, dass sich die wissenschaftliche Community nicht mehr nur mit formalen Aspekten von BPMN-Modellen oder ihre Transformation in andere Repräsentationen, wie z. B. BPEL, beschäftigt. Stattdessen rückt zunehmend die sinnvolle Anwendung der Notation für verschiedene Bereiche in den Mittelpunkt – und verstärkt auch die Sicht des Business auf die Prozesse. Das ist auf jeden Fall erfreulich.
Eine interessante Frage ist, wie die BPMN-Community mit den zahlreichen vorgeschlagenen BPMN-Erweiterungen umgeht. Die in einer Diskussion aufgekommene Idee, eine Plattform zur Sammlung solcher Erweiterungen zu schaffen, ist daher durchaus überlegenswert. Möchte man Modelle für bestimmte Anwendungsbereiche und Modellierungszwecke erstellen, so könnte man dort nachsehen, ob es bereits geeignete BPMN-Erweiterungen gibt. Bislang scheint es auch kaum BPMN-Tools geben, die eine gute Möglichkeit zur Nutzung des BPMN-Erweiterungsmechanismus zu geben. Andererseits, so wurde in der Diskussion angemerkt, sollte man inhaltliche Erweiterungen auch nur dann anbringen, wenn sie wirklich Vorteile bringen.
Jan Mendling kündigte noch an, dass der nächste BPMN-Workshop am 12. und 13. September 2012 an der Wirtschaftsuniversität Wien stattfindet.