Auch wenn das Thema noch relativ jung ist, gibt es dennoch bereits eine Reihe von Büchern zum Thema IT-Unternehmensarchitektur, häufig unter der englischen Bezeichnung Enterprise Architecture. Viele dieser Bücher fokussieren sehr stark auf die Modellierung und Dokumentation der verschiedenen Aspekte komplexer IT-Landschaften. Keller sieht Modelle und Architekturframeworks zwar ebenfalls als wichtig an, doch ist es für ihn noch wesentlich wichtiger, dass Unternehmensarchitekten an der Strategie-Entwicklung des Unternehmens mitwirken und das Anwendungsportofolio geeignet ausrichten können. In den Mittelpunkt seines Buches stellt er daher die verschiedenen Ziele, die mit dem Architekturmanagement verfolgt werden können, und vor allem die hierfür erforderlichen Managementprozesse.
Da je nach Unternehmenssituation ganz unterschiedliche Schwerpunkte von Bedeutung sind, beschreibt der Autor wichtige Muster (Patterns), die je nach Fragestellung angewandt und miteinander kombiniert werden können, um die geeignete unternehmensspezifische Ausprägung des Architekturmanagements zu entwickeln. Die Idee der Pattern-basierten Beschreibung wurde bereits im EAM Pattern Catalog an der Technischen Universität München umgesetzt. Im Gegensatz zu den dortigen, sehr detaillierten Patterns werden in dem Buch grobgranulare Patterns für die grundlegenden Fragestellungen vorgestellt. Bei Bedarf kann man die jeweiligen Themen mit Hilfe des Pattern-Katalogs im Internet weiter vertiefen.
Zielmuster beziehen sich auf mögliche, mit dem Architekturmanagement verfolgte Zielsetzungen. Fast immer gehört das Business-IT-Alignment zu diesen Zielen. Weitere Zielmuster betreffen etwa das Kostenmanagement, Time-to-Market, Reduktion von Heterogenität, Fusionsmanagement oder Compliance. Es wird jeweils erläutert, welche Rolle das IT-Unternehmsarchitekturmanagement für das jeweilige Ziel spielt, und welche prinzipiellen Möglichkeiten es gibt, die Zielerreichung positiv zu beeinflussen.
Einen breiten Raum nehmen die Managementprozessmuster ein. Insgesamt werden vierzehn Muster ausführlich vorgestellt, z. B. zur IT-Strategieentwicklung, zum Management des Anwendungsportfolios, der Erfassung der Ist-Anwendungslandschaft, der strategischen Bebauungsplanung oder der Architektur-Governance. Dabei wird deutlich, dass das Architekturmanagement an vielen Stellen eng mit anderen Bereichen des IT-Managements verzahnt ist. Keller erläutert jeweils, welche Aufgaben der Unternehmensarchitekt übernehmen sollte.
Auch wenn sie aus den oben genannten Gründen nicht im Mittelpunkt steht, wird die Dokumentation mit Hilfe von Softwarekarten und Informationsmodellen genauso besprochen wie die wichtigsten Frameworks (z. B. TOGAF und COBIT), sowie Softwarewerkzeuge für das Enterprise Architecture Management. Die immer wichtigeren Themen Compliance, Sicherheit und Risikomanagement werden ebenfalls hinsichtlich ihrer Auswirkungen für Unternehmensarchitekten diskutiert.
Für Unternehmensarchitekten in der Praxis dürften auch die Kapitel über Einführungspfade für IT-Unternehmensarchitektur und pragmatische Vorgehensweisen von großem Interesse sein. Dort werden beispielsweise die Fragen diskutiert, ob sich Unternehmensarchitektur auszahlt, wie man sein Top-Management überzeugt bzw. wie man das Thema zunächst ohne Top-Management-Unterstützung einführen kann. Der Umgang mit verschiedenen Hindernissen, wie z. B. Hierarchiedenken oder mangelnde Offenheit, wird ebenso diskutiert wie die Zusammenarbeit mit den Lösungsarchitekten der einzelnen Softwareprojekte.
Es wird deutlich, dass die Thematik recht komplex und mit sehr vielen anderen Themengebieten verknüpft ist. Daher verlangt das Buch seinen Lesern einiges ab. Man sollte möglichst schon einige Vorkenntnisse aus den Bereichen IT-Management und Software-Entwicklung mitbringen. Möchte man sich in der Praxis ernsthaft mit dem Thema IT-Unternehmensarchitektur auseinandersetzen, so wird man an diesem Buch kaum vorbeikommen.
Keller, W.:
IT-Unternehmensarchitektur
Von der Geschäftsstrategie zur optimalen IT-Unterstützung
2., überarbeitete und erweiterte Auflage
dpunkt.verlag 2012
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