Die erste Keynote der BPMN 2012 wurde von Jan Recker von der australischen Queensland University gehalten. Er richtete einen kritischen Blick auf die BPMN-Forschung. Obwohl es die BPMN noch gar nicht so lange gibt, sind mittlerweile bereits weit über tausend wissenschaftliche Veröffentlichungen zu dem Thema erschienen. Während es anfangs vor allem darum ging, die neue Notation zu verstehen, geht es in den letzten Jahren z. B. um Erweiterungen der Notation oder die Untersuchung großer Prozessmodellsammlungen. Nach Reckers Ansicht hat BPMN als Forschungsthema mittlerweile eine hohe Reife erreicht, allerdings fehlen die spannenden neuen Themen. Die meisten Forschungsfragen sind – zumindest aus theoretischer Sicht – ganz gut gelöst. Beispielweise ist es nicht besonders spannend, eine weitere Studie darüber durchzuführen, wie häufig welche BPMN-Symbole genutzt werden.
Er plädiert dafür, sich nicht nur um bekannte Probleme zu kümmern, sondern nach ganz neue Forschungsfragen zu suchen, wie z. B. die Nutzung der BPMN für ganz neue Anwendungsfelder, die Rolle der BPMN in „Post-Process“-Paradigmen (welche das auch immer sein mögen) oder die Weiterentwicklung der wissenschaftlichen BPMN Community und ihres Einflusses. Als Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Forschungsthemen wünscht er sich eine stärkere Konsolidierung und auch eine kritische Betrachtung bisherigen Forschungsergebnisse. Vor allem aber geht es darum, Grenzen zwischen der Forschung und Praxis zu überwinden. Hier sind Menschen gefordert, die mehrere Rollen übernehmen und sowohl forschen, als auch eng mit der Praxis zusammenarbeiten.
Er verwies auf eine Delphi-Studie, an der er teilgenommen hatte. Dabei hatte sich herausgestellt, dass Anwender, Tool-Hersteller und Forscher ganz unterschiedliche Themen als wichtig betrachteten. Er stellte das Beispiel eines kooperativen Forschungsprojektes über das Management großer Prozessmodellsammlungen vor, bei dem einige Vertreter der Industriepartner kontinuierlich in Vollzeit gemeinsam mit Hochschulmitarbeitern forschen. Der Austausch mit der Praxis sollte sich nicht darauf beschränken, relevante Fragestellungen zu identifizieren und diese dann ausschließlich durch Forscher bearbeiten zu lassen. Neben gemeinsamen Forschungsprojekten wird der Austausch auch durch die Debatte in praxisorientierten Communities über Blogs, Diskussionsforen etc. unterstützt, wie dies vor einiger Zeit mit Reckers Paper „How much language is enough?“ geschehen war.