Eignet sich BPMN für das Business?

Die Frage, ob BPMN eigentlich für Business User geeignet ist, wird gerade angeregt im BPM-Forum von BrainstormCentral diskutiert. Eine berechtigte Frage, denn obwohl BPMN als gemeinsame Sprache von Business und IT gedacht ist, so entstammen doch sehr viele Aspekte klar der Modellierung ausführbarer Prozesse und stoßen bei fachlich orientierten Modellierern auf wenig Akzeptanz. Einige interessante Aspekte aus dieser Diskussion:

  • Praktisch alle Beiträge betrachten die gesamte Palette der BPMN-Elemente als wesentlich zu umfangreich für die Modellierung auf Business Ebene. Sie umfasst viele Konstrukte, die für eine fachliche Modellierung ungeeignet und überflüssig sind. Einige Diskussionsteilnehmer betrachten die BPMN daher als gänzlich ungeeignet für die fachliche Modellierung, andere plädieren dafür, ein eingeschränktes Set an Modellelementen zu verwenden. Vor diesem Hintergrund wird die geplante Kategorisierung der Elemente für verschiedene Einsatzzwecke als hilfreich angesehen.
  • BPMN-Modelle, die mehr als die ganz einfachen Elemente enthalten, sind erklärungsbedürftig. Modellierer und Nutzer müssen geschult werden. Auch dies ein Grund für manche, für das Business keine BPMN-Modelle zu erstellen. Fachliche Prozessmodelle müssten für jedermann ohne Erklärung verständlich sein.
  • Wenn man BPMNModelle für das Business erstellt, ist es wichtig, eine geeignete Hierarchisierung zu verwenden und auch Modelle auf einer Ebene sauber zu unterteilen und miteinander zu verbinden. Eine einheitliche Modellierung erfordert geeignete Modellierungskonventionen.
  • Fachliche und ausführbare Modelle unterscheiden sich. Es ist eine Übersetzung erforderlich. Hierzu wird kritisch angemerkt, dass trotz Nutzung einer gemeinsamen Notation die angestrebte Überwindung der Kluft zwischen Business und IT nicht erreicht wird.
  • BPMN verleitet zum sehr detaillierten Modellieren. Die entstehenden Modelle sind dann recht umfangreich und – insbesondere bei Verwendung vieler speziellen BPMN-Konstrukte – komplex und schwer verständlich. Eigentlich soll eine grafische Darstellung anschaulich sein und das Verständnis erleichtern. Bei zu detaillierten BPMN-Modellen ist dies nicht mehr der Fall.
  • Als Vorteil der BPMN wird ihre klar definierte Semantik genannt, die eine disziplinierte Analyse und Dokumentation erzwingt. Für andere Diskussionsteilnehmer schränkt genau dies die Modellierer zu sehr ein. Insbesondere sei es schwer, Flexibilität zu modellieren. BPMN-Modelle seien vor allem für stark strukturierte und automatisierte Prozesse geeignet.

Die sehr spannende Diskussion (während ich dies schreibe, sind noch weitere Beiträge hinzugekommen) zeigt, dass es noch viel Unsicherheit bzgl. des BPMN-Einsatzes für das Business gibt. Bei allen Problemen, die damit verbunden sein mögen, so ist es aber bereits ein Vorteil, dass es überhaupt einen solchen Standard gibt. Selbst wenn an vielen Stellen möglicherweise nur ein kleiner Teil der BPMN genutzt wird, ist es doch hilfreich, wenn zumindest dafür alle dieselben Symbole verwenden. Eine gemeinsame Sprache garantiert noch kein gemeinsames Verständnis, aber sie hilft schon einmal.

Auf jeden Fall gibt es noch viel zu tun, geeignete Best Practices, Muster und Konventionen für die fachliche Modellierung zu entwickeln und praktisch anzuwenden.

3 Gedanken zu „Eignet sich BPMN für das Business?“

  1. Ja, das wird noch ein weiter Weg sein, bis die BPMN und die Tools so weit sind, die beiden Welten der Prozessanalysten und -Engineers zusammenzubekommen.
    Wir sind aktuell unterwegs, erste Erfahrungen mit der Ausführung der BPMN 2.0 zu machen. Wer hier einmal „reinfühlen“ möchte, ich habe unser erstes Transformationskonzept vorgestellt. In den nächsten Tagen sind wir so weit, dass wir den ersten kleinen, in Signavio erstellten Prozess in SAPERION Workflow ausführen könen:
    http://www.saperionblog.com/lang/de/saperion-und-signavio-auf-dem-weg-zum-bpm-round-trip-engineering/1220/comment-page-1/#comment-5043
    Viele Grüße, Martin Bartonitz

  2. Hallo Herr Bartoniz,

    vielen Dank für den Link auf Ihren Blog-Beitrag, das ist wirklich ein sehr interessantes Beispiel, da Sie gerade zeigen wie die Überführung in die Ausführung tatsächlich funktioniert und welche Probleme dabei zu lösen sind. Wenn ich Sie richtig verstehe, wird es in Signavio spezielle Modellierungsfunktionalität für Saperion geben. Die Überführung eines wirklich neutralen (d. h. eines völlig von der verwendeten Process Engine unabhängigen) BPMN-Modells scheidet insbesondere aus Gründen der Roundtrip-Fähigkeit aus?

  3. Hallo Herr Allweyer,
    nein, seitens SAPERION versuchen wir schon da, wo es geht, die vorhandenen Eigenschaften der BPMN zu nutzen. D.h. hier erst einmal unsere Syntax hinein zu tippen. Als Beispiel wird in die Task-Eigenschaft „script“ ein „DocForm:“ eingetragen. Wenn dann die Übertragung in unsere Prozess-Definition erfolgt, schlägt unser Transformator zu und trägt die korrekten Eigenschaften in das SAPERION Modell. D.h. so könnte dann auch in anderen Tools modelliert werden und an unseren Import-Web-Service übergeben werden.
    Signavio wird aber zudem für Interoperabilität mit anderen Tools sorgen. D.h. es gibt dann einen zweistufinge Import. Erst nach Signavio, dann ein Delivery nach SAPERION über unseren Transformer.
    Was auch ein interessanter Standard sein könnten, ist die Delivery-Schnittstelle aus dem Modellerierungstool an die Process Engine. Denn hier kommt noch das Versionsmanagement hinzu. Das Modellerierungstool versioniert selbst und muss aber zudem wissen, welche Version in der Process Engine aktuell ist.

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