Entscheidungen in Geschäftsprozessen – dieses Thema steht im Fokus der diesjährigen BPMCon, zu der micht der Veranstalter camunda eingeladen hat. Insbesondere steht somit der neue OMG-Standard DMN (Decision Management Notation) im Fokus. Zunächst steht aber eine Keynote von Marko Lehn über die Umstrukturierung des Modeversandhändlers Zalando auf der Agenda. Zalando hat mit den Folgen eines extrem starken Wachstums zu kämpfen. Marko Lehn berichtet über die Entwicklung der Unternehmens-IT. 2008 gegründet, beschäftigte die Firma im Jahr 2009 gerade einmal 5 Entwickler. Diese Zahl wuchs bis im Jahr 2014 auf 600. In dieser Zeit wurden zahlreiche Systeme eingeführt und häufig auch wieder ersetzt – zumeist durch Eigenentwicklungen, um die notwendige Skalierbarkeit für die explodierende Zahl an Transaktionen zu gewährleisten.
2015 steht ein Umbau des Geschäftsmodells an, u. a. mit eigenen Shops. Um die notwendige Agilität in der Entwicklung zu erreichen wurden die Organisation der Teams und das Anreizmodell verändert. U. a. gibt es keine variablen Gehaltsbestandteile mehr, stattdessen eine „Tour of Mastery“, bei der es um die Entwicklungsmöglichkeiten für die einzelnen Mitarbeiter geht. Ziel ist es, Spaß zu haben – nicht irgendwelchen Boni nachzujagen. Die Teams, die ein großes Maß an Entscheidugnsfreiheit haben, bestehen typischerweise aus etwa sechs Mitarbeitern. Zu den angewandten Prinzipien gehört u. a. das Motto „Wenn Dein Chef falsch liegt, mach es richtig …“.
„Die Ära des Model-Driven Development geht zu Ende“
Nun übernimmt camunda-Geschäftsführer Jakob Freund die Bühne. Auch wenn die Zahl der Anfragen nach „BPM“ bei Google sinkt, geht das Thema nicht weg. Ein Unternehmen benötigt „Genie“, also motivierte Mitarbeiter, und Struktur – wozu ganz zentral die Prozesse gehören. Als Beispiel stellt er den camunda-eigenen Lead-Bearbeitungsprozess vor, der aufgrund einer steigenden Zahl von Kundenanfragen zu einem großen Teil standardisiert werden musste. Die Herausforderung besteht darin, die richtige Balance zwischen Skalierbarkeit und der Motivation und Kreativität der Mitarbeiter zu finden. Freunds eigene Definition von BPM lautet: „BPM ist die Kombination von Genie mit zusätzlicher Struktur für ein skalierbares Geschäftsmodell“.
Getragen wird das eher abstrakte Thema BPM eher durch konkrete Themen, wie Technologien und Standards. Konkret nennt er die OMG-Standards BPMN, DMN (Decision Model and Notation) und CMMN (Case Management Model and Notation), auf die camunda verstärkt setzt. „BPM wird vom Dreiklang DMN – BPMN – CMMN profitieren“.
Schließlich geht er auf das Thema BPM-Systeme ein. Die von Analysten prognostizierten jährlichen Markt-Wachstumsraten von sechs bis sieben Prozent sind nicht gerade aufregend. camundas eigenes Wachstum betrug letztes Jahr hingegen 92%. Freund führt dies darauf zurück, dass der zumeist verfolgte Ansatz der rein modellgetriebenen Entwicklung nicht funktioniert. In diesem Sinnn ist camunda gar kein „richtiges“ BPM-System, sondern eher eine Entwicklungsumgebung für Prozessanwendungen. „Die Ära des Model-Driven Development geht zu Ende“, so Freund.
Von großer Bedeutung ist die Prozessagilität. Hier geht es einerseits um „akute“ Änderungen während der Prozessausführung, wie User Task Management, Case Management, oder „Token Beaming“, d. h. die Änderung des Status einer Prozessinstanz. Zum anderen geht es um den Einbau von struktureller Agilität, unter anderem durch Entscheidungstabellen oder Workflow Custoimizing.
„Entscheidung“ klingt besser als „Regel“
Bernd Rücker, ebenfalls Geschäftsführer von camunda, geht nun auf das Thema des Tages ein: Entscheidungsmodellierung mit DMN. Entscheidungen liegen heute oftmals in Form von Arbeitsanweisungen vor, oder sie sind hart ausprogrammiert. Eine Alternative stellten Rules Engines – oder moderner „Decision Engines“ – dar. Allerdings sind Rules Engines nicht neu, und die meisten Anwender sind mit ihren Business Rules-Lösungen nicht sonderlich zufrieden. Einen neuen Impuls hat die Veröffentlichung der DMN durch die OMG geliefert.
Zu den Inhalten der DMN gehören u. a. standardisierte Entscheidungstabellen. Sie lassen sich den Aktivitäten in BPMN-Prozessmodellen zuordnen, wodurch eine Trennung zwischen den tendenziell stabilieren Prozessen und den Regeln, die sich öfter ändern, erreicht wird. Auch in Case Management-Modellen gemäß CMMN gibt es zahlreiche Stellen, an denen Bedingungen benötigt werden, die ebenfalls in DMN formuliert werden können. Camunda treibt zunächst die Entwicklung der DMN-Unterstützung voran, da hierfür im Markt ein großes Interesse besteht. Auch wenn Entscheidungstabellen nicht neu sind, sieht Rücker die Change, dass das Thema Decision Management mit der DMN nun richtig abhebt.
Neben Entscheidungstabellen enthält die DMN eine Expression Language sowie grafisch dargestellte Decision Requirements Diagramme, mit denen die Zusammenhänge von Entscheidungen und den erforderlichen Inputs dargestellt werden können. Rücker stellt ein Beispiel dar, wo bei einer Versicherung die Regeln zur Aufgabenverteilung erarbeitet wurden.
Camunda bietet derzeit die Möglichkeit zur Modellierung von Entscheidungstabellen und zur Ausführung mit einer DMN Engine. Rücker weist darauf hin, dass es besser ist, das Thema unter der Bezeichung „Decision Management“ zu führen als unter „Business Rules Management“. Grund: Der Betriff „Regel“ ist negativ besetzt, wohingegen Entscheidungen als etwas Positives angesehen werden.