Uwe Koch von den Talanx Versicherungen stellt ein konkretes Beispiel für die Anwendung von DMN vor. Die Service-orientierterientierte Architektur des Konzerns basiert auf einer einheitlichen Daten- und Service-Modellierung. Die Architektur umfasst einen zentralen Enterprise Service Bus und eine Proces Engine zur Orchestrierung von ESB-Services. Die Process Engine wird derzeit auf camunda migriert. Koch zeigt einen Beispiel zur Bearbeitung von Stornos, bei dem in mehreren Prüfungen entschieden werden soll, welche Stornos automatisch verarbeitet werden können und welche zu einem Mitarbeiter weitergeleitet werden müssen. Die hierfür erforderlichen Regeln wurden in Zusammenarbeit mit camunda in Form von Entscheidungstabellen modelliert.
Aus Sicht des Fachbereichs ergibt sich der Vorteil, die Regeln klarer und eindeutiger formulieren zu können. Die IT-Entwicklung profitiert davon, dass es keinen Medienbruch gibt und die Regeln nicht falsch interpretiert werden können. Die DMN-Regeln lassen sich außerde separat deployen und testen. Kleinere Regeländerungen kann man somit schnell und auch außerhalb von den Terminen für größere Releases deployen. Herausforderungen besetehen insbesondere im Bereich der Governance. Die Verantwortung für die Regeln verschiebt sich in Richtung Fachbereich.
Customer Experience Engineering bei der australischen Post
Zu den internationalen Kunden von camunda zählt auch die australiche Post. Rob Parker spricht darüber, wie man im Zeitalter der Digital Disruption ein herausragendes Kundenerlebnis schaffen kann. Ein zentraler Punkt ist die Bereitstellung von Informationen. Diese Informationen müssen relevant sein. So interessiert es den Kunden nicht, in welchem Verteilzentrum sich eine Sendung befindet, sondern wann die Sendung bei ihm ankommen wird. Er soll die Möglichkeit haben, auf die Informationen zu reagieren (z. B. einen anderen Lieferzeitpunkt zu vereinbaren). Und schließlich erwartet e,r dass die Leistungen stets zuverlässig erbracht wird.
Das BPM-System spielt bei der australischen Post eine zentrale Rolle im Customer Experience Engineering. Systemfunktionen werden kurz gesagt im Process Layer neu zu Kundenerlebnissen zusammengestellt. Funktionalitäten aus Silo-Systemen können zu neuen Produkten kombiniert werden. Z. B. kann man eine Rechnungsverarbeitung mit einer Zahlungsanwendung verbinden, um dem Kunden beim Eingang einer Rechnung direkt die Möglichkeit zum Auslösen einer Zahlung anzubieten.
BPMN wird hierbei weniger für klassische Ablaufmodelle eingesetzt, sondern eher im Sinne eines hierarchischen Zustandsmodells. Im Frontend kommt u. a. ein Personal Activity Stream zum Einsatz, in den die verschiedenen Prozesse Aktivitäten einstellen können. Zur Personalisierung dieses Frontends sind Regeln erforderlich. Hier sieht Parker interessante Einsatzmöglichkeiten für DMN.
Prozessplattform bei Allianz Indonesien
Ein weiterer internationaler Kunde ist die Allianz Indonesien. Indonesien stellt für Versicherungen einen starken Wachstumsmarkt dar. Die Ausgangssituation bei der Allianz bestand aus einer Reihe von nicht miteinander verbundenen Silo-Anwendungen. 2011 wurden einige Process Engines evaluiert. Der Standard für Prozessmanagement-Systeme im Allianz-Konzern war eher teuer und schwergewichtig. Daher wurde eine leichtgewichtige Lösung auf Basis von Java und Open Source gesucht.
Die Implementierung des als erstes automatisierten Underwriting-Prozesses erfolgte innerhalb von drei Monaten. Dabei wurden 30 Stunden Beratung in Anspruch genommen. Das User-Feedback war positiv.
Das zweite Projekt befasste sich mit dem Versicherungsschein-Management. Dies war aufwändiger, da eine Vielzahl von Prozessen und Varianten konsolidiert werden musste und kein einheitliches Bestandssystem für die Datenbereitstellung zur Verfügung stand. Für dieses Projekt und weitere entstand eine umfassende Plattform. Herausforderungen waren u. a. fehlende Integrationsstandards und Thmen wie Rollbacks und Kompensationen. Die camunda Engine ist mittlerweile Bestandteil aller neu entwickelten Systeme. Wichtige Themen für die nächste Zeit sind insbesondere Skalierbarkeit und Hochverfügbarkeit.
Deutsche Bahn – Kompensation für Eingriffe in die Natur
Der letzte Anwendervortrag befasst sich mit Prozessmanagement im Umweltschutz der Deutschen Bahn. Referenten sind Henry Hübler von DB System und Ingo Rau von den econauten. Bei ihnen geht es um den Umgang mit Kompensationsverpflichtungen, d. h. den erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen bei Eingriffen in die Natur. Der betreffende Prozess war bisher nur implizit bekannt. Künftig muss jährlich revisionssicher berichtet werden, weshalb ein klar definierte Prozess erforderlich ist.
Die Laufzeit des Gesamtprozesses mit der Pflege aufgeforsteter Bäume u. ä. kann bis zu 30 Jahre dauern. Daher wurden nur die einzelnen Phasen als Einzelprozesse modelliert und dazwischen definierte Übergaben festgelegt.
Das Projekt bedeutete für die Deutsche Bahn, dass in mehrerer Hinsicht Neuland betreten wurde: Der Einsatz von BPM und BPMN 2.0, die Nutzung von Open Source und eine Einführung einer agilen Vorgehensweise waren neu für den Konzern.
Der verwendete Technology Stack umfasst neben der camunda BPM-Engine die Rules Engine Drools, das Portal Liferay und als Basistechnologien Linux, Apache und JBoss. Das entwickelte System, das im Rahmen eines Proof of Concept ausführlich von Anwendern getestet wurde, wird in den nächsten Tagen live gehen. Die Rules Engine dient zur automatischen Prüfung der Datenqualität, die erforderlich ist, bevor der Prozess fortgesetzt werden kann.