Auf den ersten Blick haben Fußball und Geschäftsprozessmanagement nicht besonders viel miteinander zu tun. Dass der Vergleich zwischen einer Fußballmannschaft und einem Team im Unternehmen durchaus lehrreich und zugleich unterhaltsam sein kann, beweist Alexander Ockl in seinem Buch „Das Spiel“ (Anzeige). Elegant nutzt der Fußballfan Beobachtungen aus seinem Lieblingssport, um typische Probleme und Lösungsmöglichkeiten zu illustrieren, wie sie in seiner beruflichen Praxis als Berater vorkommen.
Das Buch bewegt sich auf drei Ebenen. Die erste Ebene bildet die Berichterstattung vom fiktiven Ruhrgebietsderby zwischen dem FC Lüdenscheid Nord und Herne-West. Lüdenscheid Nord liegt sportlich ziemlich am Boden. Ein neu verpflichteter Star-Trainer soll aus der Mannschaft wieder ein Spitzenteam machen. Auf der zweiten Ebene des Buchs erlebt der Leser ein Projekt aus einer Spedition mit, in der ein neues Dispositionssystem eingeführt wird. Auf der dritten Ebene schließlich erläutert der Autor zu den jeweiligen Episoden aus Fußball und Unternehmen wichtige Begriffe und Konzepte des Projekt- und Prozessmanagements.
Ockl vergleicht das Geschäftsprozessmanagement mit dem Spielsystem beim Fußball. Die Mannschaft soll optimal organisiert werden um den Erfolg des Gegners zu verhindern und die eigenen Spielzüge bis zum Torabschluss zu bringen. Geschäftsprozesse erläutert er anhand von Spielzügen, und die verschiedenen Rollen in einer Organisation sind den Spielpositionen in einer Fußballmannschaft ähnlich.
Wie im wirklichen Leben verläuft weder im Spiel noch im Projekt alles reibungslos. Abstimmungs- und Motivationsprobleme, unklare Laufwege und Regelungen führen dazu, dass Lüdenscheid zur Halbzeit mit 0:2 hinten liegt, und dass die Stimmung im Projektteam eskaliert. Die Halbzeitpause gibt Gelegenheit zur Analyse der Ursachen, und auch im Projektteam hilft eine neue Business Analystin dabei, Kommunikationsprobleme zu überwinden und den Fokus von der bisher recht IT-lastigen Betrachtung der Abläufe auf eine Analyse und Verbesserung der eigentlichen Geschäftsprozesse zu richten. Und tatsächlich nehmen beide Fälle eine positive Entwicklung. So kann Lüdenscheid zumindest ein Unentschieden herausholen. Damit ist das erstrebte Ziel zwar noch nicht komplett erreicht, doch Veränderungen dauern eben.
Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle im Buch angesprochenen Facetten des Prozessmanagements aufzuführen. Es wird ein wirklich umfassender Überblick über die Thematik gegeben, der trotz des lebhaften Erzählstils stets fundiert ist. Insbesondere werden die zwischenmenschlichen Probleme deutlich, die im Miteinander der verschiedenen Persönlichkeitstypen begründet liegen. Jeder, der selbst schon an einem vergleichbaren Projekt teilgenommen hat, wird die verschiedenen Charaktere und die Kommunikationsprobleme wiedererkennen. Die Schilderungen des Projektalltags sind wirklich aus dem Leben gegriffen. Ockl weiß aus Erfahrung, wovon er spricht. Und er hat konkrete Lösungsansätze anzubieten.
Eines hat das Buch praktisch allen anderen Prozessmanagement-Büchern voraus: Es ist spannend und macht Spaß. Die Erzählszenen lassen sich wie ein guter Roman lesen. Die fachlichen Erläuterungen fügen sich als Kommentierungen des Geschehens fast nahtlos ein. Sicherlich lässt sich über manche der Parallelen diskutieren, die zwischen Fußball und Prozessmanagement gezogen werden. Doch das tut dem Buch keinen Abbruch, sondern regt im Gegenteil zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Thema an.
Alexander Ockl:
Das Spiel. Brennpunkt Geschäftsprozesse – IT und Betrieb in einer Mannschaft.
Addison-Wesley 2010.
Das Buch bei amazon (Anzeige)
Ja, Fußball kann so manches Mal herhalten, um Management deutlich zu machen. Urs Maier, jener Schiedsrichter, der Zusammen mit Trainer Klopp einige Spiele der Fußballweltmeisterschaft kommentiert hat, zeigt vor Managern am Beispiel des Schiedsrichtens im Spiel, dass Entscheidungen schnell, klar und unzweifelhaft getroffen werden müssen, damit das Spiel nicht eskaliert.
In der Handelsblatt vom 4. Dezember wird getitelt mit Teamgeist statt Stargehälter. Es geht um das Phänomen FSV Mainz 05. Hier sei das Team der Star und es wird nicht hinter ein paar Stars hergelaufen. Die Spieler haben nur einen Bruchteil derer von Bayern gekostet. Da hier jeder einen gleichen Teil zum Spiel beiträgt und entsprechend gleich behandelt wird, ist die Motivation sehr hoch, sich für die Mannschaft und damit für jeden anderen einzusetzen. Am Ende wird darauf hingewiesen, dass SAP inzwischen auch den Projektchef abgeschafft habe, und die Teams sich selbst organisieren. Ich vermute mal mittels SCRUM.
Auch in der aktuellen Ausgabe der zfo (Zeitschrift Führung + Organisation) wird Fußball und Prozessmanagement thematisiert. Michael Gaitanides bezieht sich auf den Erfolg der Bayern in der vergangenen Saison, wo der Prozessgedanke in Form sorgfältig eingeübter und konsequent ausgeführter Spielzüge der Schlüssel zum Erfolg gewesen sei. Allerdings zeige gerade das Beispiel Fußball, dass es nicht genüge, vorgefertige Abläufe unverändert durchzuführen. Es muss vielmehr flexibel auf die jeweilige Situation reagiert werden, wobei dann jeweils die eingeübten Spielzüge angewandt werden. Eine unerwartete Choreographie von Routineprozessen ermögliche neue Optionen.
Außerdem müssten Spieler und Spielsystem zusammenpassen. Das gelte, so Gaitanides, auch für Unternehmen: Erfolgreiche Prozesse benötigten die richtigen Leute. Entweder müssten die Mitarbeiter gemäß ihren Talenten den geeigneten Prozessen zugeordnet werden, oder man strukturiere die Prozesse so, dass sie möglichst gut zu den vorhandenen Mitarbeitern passen.
Zunächst einmal vielen Dank für die Blumen! So eine Rezension bekommt man ja nicht jeden Tag. Ich denke, wenn man über Abläufe, Menschen und Manager nachdenkt, muß man zwangsläufig beim Fußball landen. Nirgendswo werden die Zusammenhänge so transparent, weil nirgends so viel Kameras das Umfeld beobachten.
Als Jürgen Klopp 2006 bei der WM den Zuschauern die Spielzüge erklärt hat, habe ich zur selben Zeit eine Reihe Business Analysten trainiert. Ich habe gesehen, dass Klopp und ich fast das gleiche erklären.
Ich weiß nicht, ob jemand von Ihnen den Fußballstammtisch Doppelpass (im DSF heute sport1) verfolgt. Die Diskussionen ist immer die Gleiche, wenn es kriselt! Neue Spieler? Ist das Spielsystem das Richtige? Faszinierend sind dann die Trainerwechsel. Innerhalb weniger Stunden wird das Team erfolgreich. Und so schnell kann kein Weltmeistertrainer Arbeitsabläufe ändern.
Und dann noch die Frage, wie reif ist das Umfeld? Aber „Reifegradmodelle“ gibt es im Fußball noch nicht…
Manfred Alfa, der Projektleiter aus dem Buch, hat jetzt auch ein eigenes Blog: http://www.alfas-welt.de