Es regnet in Strömen. Blitze durchzucken den dunkel Himmel. Sie eilen durch das Verwaltungsgebäude der Firma After Inc. Ihr Auftrag: Den eher schlecht als recht funktionierenden Prozess zur Anfrage-Bearbeitung im Call Center verbessern. Zuerst müssen Sie in die IT-Abteilung und eine Modellierungs-Software auf Ihrem Notebook installieren. Die IT-Leiterin gibt Ihnen einen guten Rat: Besorgen Sie sich das vorhandene Prozesssmodell, aber validieren Sie es durch ein Interview mit einem erfahrenen Call Center-Mitarbeiter.
Und in der Tat: Im Interview stellt sich heraus, dass das vorhandene Modell völlig veraltet ist. Der gelangweilte, ständig Kaffee trinkende Modellierer hat es nach der Übernahme einer anderen Firma nicht überarbeitet. Seither laufen zwar alle Anfragen an einer zentralen Stelle ein, doch müssen sie zunächst je nach Produkt zum betreffenden Support-Team weiter geleitet werden. Die Integration der beiden Firmen wurde im Call Center noch nicht konsequent umgesetzt.
Sie modellieren den tatsächlichen Ist-Ablauf. Um die Auswirkungen geplanter Änderungen untersuchen zu können, soll der Prozess simuliert werden. Hierzu brauchen Sie weitere Daten: Mitarbeiter-Kapazitäten, Zahl und Dauer der Anrufe, Kostensätze. Wieder eilen Sie durch die Zentrale, sammeln die benötigten Zahlen ein und übernehmen diese in das Modellierungs-Tool.
Gerade rechtzeitig schaffen Sie es zur Abteilungsleitersitzung. Dort stellen Sie Ihr Modell vor. Die Simulation der Ist-Situation bringt Ergebnisse, die gut mit den tatsächlichen Werten übereinstimmen. Die Abteilungsleiter-Runde entwickelt nun Vorschläge, wie der Ablauf im Call Center verbessert werden kann.
Soll-Prozesse auf Knopfdruck simuliert
Welche Folgen hätte es, wenn einfache Anfragen zu allen Produkten direkt von First Level-Support-Mitarbeitern beantwortet werden können und nur schwierige Fälle zu Produkt-Experten weiter geleitet werden? Was könnte man einsparen, wenn man die Bearbeitung der einfachen Fälle outsourcen würde? Was würde eine Workflow-Automatisierung bringen?
Kein Problem für Sie: Sie modifizieren das Simulationsmodell und die verwendeten Daten und können die Auswirkungen der verschiedenen Änderungsvorschläge auf Knopfdruck durch einen Simulationslauf ermitteln. So ist schnell ein verbesserter Soll-Prozess gefunden. Ihre nächste Aufgabe: Die Umsetzung der Änderungen, insbesondere die Automatisierung des Ablaufs mit Hilfe einer BPM-Suite.
Das geschilderte Szenario ist die Story des von IBM entwickelten Computerspiels „Innov8“. Es handelt sich um ein „Serious Game“. Solche „ernsthaften Spiele“, werden zunehmend im E-Learning eingesetzt, um den Lernenden die Möglichkeit zu geben, sich die Inhalte spielerisch anzueignen. Einerseits sorgt das Medium Computerspiel insbesondere in jüngeren Zielgruppen für eine hohe Motivation, andererseits werden selbst erarbeitete, in eine Story eingebettete Inhalte besser behalten. „Innov8“ zielt auf den Einsatz in Hochschulen ab, sowohl in wirtschaftswissenschaftlichen als auch IT-bezogenen Studiengängen. Es ist derzeit auch nur für Hochschulen erhältlich, und wird an diese kostenfrei abgegeben.
Richtig eingesetzt kann das Spiel gute Dienste bei der Einführung in die Themen Modellierung, Simulation und Workflow Management leisten. Zwar werden strategische und organisatorische Aspekte genauso wenig wie weiche Faktoren des Prozessmanagements behandelt, doch ist dies bei einem Technologie-Anbieter auch nicht zu erwarten, der in die von seiner Produktpalette abgedeckten Themen einführen möchte. Immerhin kommt direkte Produktwerbung in dem Spiel nur am Rande vor, etwa in Form herumliegender IBM-Software-Packungen.
Die größte Herausforderung besteht allerdings weniger in der inhaltlichen Aufgabe, als vielmehr darin, die Hauptfigur zu steuern und nicht ständig an Wänden anzustoßen. Zwar ist dem Herumrennen von Abteilung zu Abteilung ein gewisser Praxisbezug nicht abzusprechen, doch hätte man an der Steuerung noch ein wenig arbeiten können. Auch verwundert es angesichts der recht einfachen Grafik, dass das Spiel nur auf sehr leistungsfähigen Grafikkarten läuft.
Bei der Erfüllung der eigentlichen Aufgaben, wie Modellieren oder Simulieren, gibt es kaum Freiheitsgrade. Die vorgesehene Story muss unverändert durchlaufen werden. Macht man einen Fehler, so wird man solange darauf hingewiesen, bis man ihn korrigiert hat. Man spielt also lediglich ein vorgegebenes Fallbeispiel durch, was das Spiel vor allem für Einsteiger interessant macht. Der Spaßfaktor und damit auch die Verinnerlichung des Gelernten sind wesentlich höher als etwa bei einem Erläutern des Beispiels durch einen Dozenten.
Fehlende Speichermöglichkeit verhindert den Einsatz
Ohne Hintergrundwissen wird man an einigen Stellen nicht genau verstehen, was man eigentlich tut. So liefert etwa das Simulationstool Ergebnisse ohne dass klar wird, wie diese zustande kommen. Dieses Hintergrundwissen kann in einer Lehrveranstaltung, in deren Rahmen Innov8 eingesetzt wird, dann gezielt vermittelt werden. Der Einsatz sollte also nicht isoliert erfolgen, sondern nur in Verbindung mit ergänzenden Lehrinhalten.
So weit, so gut. Jetzt kommt der Haken: Mir ist es nicht gelungen, das Spiel so zu installieren, dass man den Spielstand speichern könnte. Schon die Installation unter einer nicht-englischen Windows-Version ließ sich nur mit Hilfe eines Tricks bewerkstelligen, der von anderen Nutzern in das Forum zum Spiel eingestellt wurde. Bereits mehrere Nutzer bemängelten in diesem Forum, dass sie nicht speichern können. Bisher ohne Antwort. Auf der Website zum Spiel bittet IBM um Verständnis, dass es für ein kostenfreies Spiel keinen direkten Support gibt, und Anfragen nur über das Forum gestellt werden können. Doch wenn Fragen auch nach Wochen nicht beantwortet werden, ist dieses Forum recht sinnlos. Und ohne Speichermöglichkeit kann das Spiel in der Lehre nicht eingesetzt werden, dauert ein kompletter Spieldurchlauf doch mehrere Stunden.
Schade. Eine gute Idee und ein beträchtlicher Entwicklungsaufwand werden so durch einige Kleinigkeiten weitgehend zunichte gemacht. Damit hat sich IBM keinen Gefallen getan. Bleibt zu hoffen, dass es vielleicht einmal eine neue, funktionierende Version geben wird.
Hier findet sich eine weitere Besprechung von Innov8: Missing the point in serious games ‚design‘
Das Thema hat mich nicht ruhen lassen. Jetzt habe ich es tatsächlich geschafft, mit meinen Fragen bei IBM an die richtige Stelle zu gelangen. Ich bekam die Aussage, dass innerhalb weniger Wochen eine neue Version verfügbar sein wird, bei der Speichern und Laden funktionieren wird. Außerdem soll es eine Version für PC-Pools geben, bei der man seinen gespeicherten Spielstand mitnehmen kann, wenn man beim nächsten Mal an einem anderen PC sitzt. Außerdem gibt es noch ein undokumentieres Feature, mit dem man im Spiel vorwärts springen kann. Mir wurde versprochen, dass diese Informationen in Kürze im Forum zum Spiel stehen werden.
Meines Erachtens bieten derartige ’serious games‘ großartiges Möglichkeiten für die Lehre. Ich hätte das Spiel gerne in eine Master-Veranstaltung zum das Thema ‚Life Cycle-Management Betrieblicher Informationssysteme aus betriebswirtschaftlicher Sicht‘ eingebunden.
Ein Spiel scheint mir ein sehr guter Ansatz, das eher abstrakte Thema BPM ‚griffiger‘ zu gestalten und dessen Bedeutung für alle betriebswirtschaftlichen Disziplinen deutlich zu machen. Leider scheitert die Nutzung auch bei uns derzeit an technischen Problemen.
Schade!
Ich hoffe auf Folgeversionen.
Ayelt Komus
Professor für Organisation und Wirtschaftsinformatik, FH Koblenz
Hallo,
wie komme ich an das Trainigsgame?
Ich habe versucht mich bei IBM zu registrieren,leider ohen Erfolg.
Vielen Dank für die Hilfe.
Steffen J.
Das Game steht nur Hochschulen zur Verfügung. Wenn Sie an einer Hochschule arbeiten, können Sie am Hochschulpartner-Programm der IBM teilnehmen und dann auf das Game zugreifen.
Habe mir Innov8 heruntergeladen und installiert.
Speichern und Laden von Spielständen funktioniert immer noch nicht – zumindest bei mir nicht. Auch die Frage im IBM-Support-Forum wurde noch nicht beantwortet. Sehr schade. Gibt es hier Neuigkeiten?
Leider nein. Außer der Ankündigung einer neuen Version. Vielleicht kann man bei dieser dann den Spielstand speichern…
Recht unverständlich, dass IBM einen hohen Aufwand in die Entwicklung eines Spiels steckt, und sich dann nicht um die Kleinigkeiten kümmert, die den Einsatz in der Lehre unmöglich machen.