Heute Mittag startete nun der zweite Teil der BPMN 2010, der Anwendertag. Er wurde eingeleitet mit dem Vortrag von Hagen Völzer, der bereits hier beschrieben wurde. Auch Ivana Trickovic von SAP sprach über BPMN 2.0. Sie erläuterte die Standardisierungsaktivitäten der OMG. Eine Reihe von prozessbezogenen Aspekten sind explizit außerhalb des BPMN-Sprachumfang, wie z. B. die Organisaitionsmodellierung. Der Ansatz der OMG ist es, derartige Aspekte künftig in separaten Standards zu behandeln und diese mit BPMN abzustimmen.
In meinem Vortrag ging es vor allem um die Nutzung der BPMN 2.0 für die fachliche Modellierung. Unter anderem stellte ich auch noch einmal das hier beschriebene Beispiel vor, das anhand des E-Mail Voting Processes der OMG darstellt, wie komplexe Modelle verständlicher aufgebaut werden können. Bei genauer Betrachtung kann die BPMN ihre Herkunft aus dem Bereich der Prozessautomatisierung nicht verleugnen. Will man die Notation rein für die fachliche Beschreibung nutzen, so steht einem dieser Ausführungsbezug manchmal im Weg. Ein Unternehmen ist eben keine Process Engine. Der fachliche Modellierer benötigt eher ganz andere Dinge, wie z. B. ein Ebenenkonzept für die hierarchische Modellierung von der Prozesslandkarte bis zum Detailmodell, die Verbindung zu Organigrammen, Datenmodellen usw. Zum einen können solche Fragen mit Hilfe von Modellierungskonventionen gelöst werden, zum anderen sollten bei der Weiterentwicklung des Standards fachliche Belange stärker einbezogen werden.
Tools, Tools, Tools, … (und Mentoring)
Im letzten Block des Tages präsentierten mehrere Hersteller ihre Tools. Harald Nehring stellte zunächst die Vision der SAP vor: Ziel ist es, die Prozesse komplett aus der Anwendungslogik heraus zu lösen. Aber auch andere Aspekte wie Identity, Security Management, Daten usw. sollen als Bausteine flexibel in der Gesamtarchitektur aufeinander abgestimmt sein. Die Produkte der SAP werden derzeit so integriert, dass man aus einem Prozessmodell heraus sowohl die Orchestrierung als auch die Konfiguration und Entwicklung der Anwendungslogik nahtlos durchführen kann.
Dirk Kalbfleisch von ibo stellte seine Präsentation unter das Firmenmotto „Prozesse sind unsere Leidenschaft“. Die Firma ibo hat ihre Kompetenz im Bereich Methoden für Prozessmanagement, vor allem auch auf organisatorischer Ebene. Die Produktpalette deckt alle wesentlichen Teile des Prozessmanagementzuyklus ab, mit Prometheus.NET u.a. auch die Modellierung mit BPMN.
SemTalk von Semtation erweitert Visio um eine integrierte XML-Datenbank. Laut Christian Fillies ist es so einfach zu verwenden wie Visio (vielleicht sogar einfacher, da z. B. nur die benötigten Menüeinträge angezeigt werden), aber mit mehr Logik und den wichtigen Funktionen eines vollwertigen Prozessmodellierungstools (Reports, Auswertungen, Simulation, Schnittstellen zu SAP, zu ARIS, usw.). Neben BPMN werden auch eine Reihe anderer Notationen unterstützt, die man auch selbst konfigurieren kann. Die Erfahrung von Semtation zeigt im Übrigen, dass nur etwa 3% der Anwender tatsächlich ausführbare Prozesse mit BPMN modellieren. Für die anderen wird die BPMN meist deutlich eingeschränkt um eine einfache fachliche Modellierung zu ermöglichen. Ein interessantes Feature ist die Verwaltung einer Begriffsbibliothek, mit der eine einheitliche Begrifflichkeit sichergestellt wird. SemTalk unterstützt auch eine Ablage im Repository von Microsoft Sharepoint und den Aufbau eines Prozessportals.
Signavio ist ein Spin-Off des Hasso-Plattner Institut. Mit ihrer Modellierungsplattform in der Cloud unterstützen sie die Einbindung aller Beteiligten in die Prozessgestaltung. Die über einen Browser bedienbare Oberfläche erinnert an Web 2.0-Plattformen und ermöglicht etwa auch die Einbindung von Ideengebern (z. B. über eine Kommentierungsfunktion) und Gelegenheitsusern. Das System ist unter anderem bei 1&1 und der AOK im Einsatz. Gero Decker hatte auch die iPad-Variante der Software dabei (siehe auch diesen Beitrag).
Frank Michael Kraft stellte seine neue Firma AdaPro vor. Er war aktiv an der BPMN-Entwicklung beteiligt und hat langjähriges Erfahrung im Mentoring für Prozessmodellierer, die er nun seinen Kunden anbietet. Hierbei fokussiert er auf die Entwicklung adaptiver Prozese, die Standardprozesse mit fallbasierten Entscheidungen kombinieren. Seine Dienstleistungen umfassen u. a. Seminare, eine langfristige individuelle Begleitung von Prozessmodellierern und die Qualitätssicherung von Modellen.
Jens Hündling sprach über die Fusion Middleware von Oracle. Diese enthält u. a. die BPM Suite mit Komponenten für die fachliche Modellierung, einen Web-basierten Process Composer, eine Process Engine, ein Prozessportal sowie Analysekomponenten und die Integration mit dem restlichen Oracle Software Stack. Weiterhin hat Oracle die auf ARIS basierende BPA-Suite integriert. Sie enthält einige Erweiterungen für die integrierte BPMN-Modellierung und eine verbesserte Durchgängigkeit zur Prozessausführung mit Roundtrip-Funktionalität.
Andreas Ditze und Thomas Henninger präsentierten den Innovator for Business Analysts von MID. Ihr Motto lautet „BPMN and more …“. Sie integrierten die BPMN-Modelle u. a. mit Anforderungsdefinitionen, UML Klassendiagrammen und Use Case-Diagrammen. So lässt sich ein Use Case Diagramm durch eine BPMN Kollaboration verfeinern. Hierzu muss an lediglich den Use Case in das Diagramm ziehen. Innovator legt dann automatisch ein Gerüst mit den beteiligten Akteuren als Kollaborationspartnern an. Innovator unterstützt den kompletten BPMN 2.0-Standard, und bietet umfangreiche Navigations- und Darstellungsmöglichkeiten, u. a. eine „Whiteboard“-Darstellung, das die einzelnen miteinander verknüpften Diagramme in einer Übersicht zeigt. Weiterhin ist es beispielsweise möglich, Sichten eines Modells zu bilden, bei denen beispielsweise einzelne Elemente ausgeblendet werden. Das Originalmodell bleibt dabei unverändert erhalten.