Die Komplexität im Griff: Was leisten Enterprise-Architecture-Tools?

Dieser und ein weiterer Blog-Post bieten einen Einstieg in Zweck und Funktionalität von Enterprise-Architecture-Tools. Dieser erste Beitrag enthält einen Überblick. In einem folgenden Post wird die konkrete Nutzung am Beispiel des Systems „ADOIT:Community-Edition“ beschrieben.

Um Digitalisierungsprojekte zum Erfolg zu führen, ist es erforderlich, geeignete, aufeinander abge­stimm­te Prozesse, Systeme und Organisationsstrukturen zu schaffen. Zudem müssen sie in die im Unternehmen vorhandene Landschaft integriert werden. Das Enterprise-Architecture-Manage­ment (EAM) spielt hierbei eine zentrale Rolle. Es stellt Informationen, Entscheidungsgrundlagen, Planungs­hilfen und  Architekturvorlagen bereit, die nicht nur für die einzelnen Projekte nützlich sind, sondern insbesondere auch dafür sorgen, dass die verschiedenen Initiativen aufeinander abgestimmt werden und geeignet sind, in ihrer Gesamtheit die Unternehmensstrategie zu unterstützen.

Zu den Zielen und Aufgaben des EAM gehören insbesondere:

  • Transparenz herstellen
  • Informationen für alle Bereiche des IT-Managements bereitstellen
  • Grundlagen für die Entwicklung der IT-Strategie und das Business-IT-Alignment schaffen
  • Die Systemlandschaft konsolidieren
  • Planungsinstrumente bereitstellen
  • Vorgaben für die Architektur entwickeln und für ihre Einhaltung sorgen
  • IT-Projekte beraten und unterstützen
  • Für die Einhaltung von Compliance-Anforderungen sorgen

In der Vergangenheit wurde das EAM häufig vor allem als kontrollierende Instanz wahrgenommen. Zunehmend hat es sich zu einer beratenden Rolle entwickelt, die die Projekte unterstützt und sie in die Lage versetzt, eigenständige Architekturentscheidungen zu treffen, die konsistent mit dem Gro­ßen und Ganzen sind. Ein gut funktionierendes EAM stellt sogar eine wesentliche Voraussetzung für die in Innovationsprojekten notwendige Agilität und Entwicklungsgeschwindigkeit dar. Beispielsweise kann Wissen über erprobte Architekturmuster verfügbar gemacht werden, oder es werden Informa­tionen über existierende Back-End-Systeme bereitgestellt, zu denen eine Anbindung geschaffen wer­den muss.

Eine Enterprise-Architecture (EA) oder Unternehmensarchitektur umfasst verschiedene wichtige Aspekte eines Unternehmens, wie z. B. Produkte, Geschäftsprozesse und Aufbauorganisation – und die hierfür eingesetzte Informationstechnik in Form von Anwendungs­syste­men, Technologien und Infrastruktur (vgl. obige Abbildung). Von Bedeutung sind insbesondere auch die Zusammen­hänge zwischen diesen verschiedenen Elementen. Zum Beispiel sollte man mit Hilfe der EA-Doku­men­tation herausfinden können, welche Anwendungssysteme in welchen Geschäftspro­zes­sen ge­nutzt werden, welche Software auf welchen Servern läuft oder wer für welche Systeme verantwort­lich ist.

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Da die meisten Unternehmen über eine Vielzahl von Prozessen, Systemen usw. verfügen, sind die entsprechenden Architekturen sehr umfangreich und komplex. Zur Verwaltung der Architekturdoku­men­tation ist daher eine geeignete Softwareunterstützung erforderlich. Moderne EAM-Systeme bieten über die reine Verwaltung der EA-Daten hinaus vielfältige Funktionen zur Unterstützung der oben genannten EAM-Aufgaben.

Funktionalitäten von EA-Tools

Im Folgenden sind typische Funktionalitäten aufgeführt, wie sie von den meisten EA-Tools angeboten werden.

Pflege der verschiedenen EA-Objekte

Zu den Betrachtungsobjekten in einer Enterprise Architecture gehören z. B. Geschäftsprozes­se, Anwendungssysteme, Datenobjekte, u. ä. Zu jedem Objekt können zahlreiche Informatio­nen hinterlegt werden, wie z. B. Beschreibungen, Verantwortlichkeiten und Kosten, sowie Beziehungen zu anderen EA-Objekten. Meist erfolgt die Pflege dieser Daten über Eingabe­masken oder Tabellen.

Grafische Modellierung

Als Alternative zur tabellarischen Pflege können die Objekte und ihre Beziehungen häufig auch in Form grafischer Modelle angelegt werden. Die Beziehungen werden durch Pfeile dargestellt. Für die Darstellung wird vielfach die standardisierte Notation ArchiMate verwendet.

Verschiedene Sichten auf die EA-Inhalte

Die in einem zentralen Repository gespeicherten Objekte und ihre Zusammenhänge lassen sich in verschiedenen grafischen und tabellarischen Darstellungen anzeigen. Leistungsfähige Such- und Filterfunktionen sind ein wichtiges Hilfsmittel, um konkrete Fragen mit Hilfe der EA-Inhalte beantworten zu können.

Grafische Modelle werden nicht nur verwendet, um neue Inhalte zu erfassen, sondern auch um existierende Inhalte hinsichtlich verschiedener Aspekte zu visuali­sie­ren und zu untersuchen.

Beispielsweise kann man in einer Grafik darstellen, welche Daten zwischen bestimmten Geschäfts­prozessen ausgetauscht werden. Eine andere Grafik zeigt dieselben Prozesse, diesmal aber vielleicht in Verbindung mit den von ihnen genutzten Anwen­dungssystemen. Dabei sind die grafischen Sym­bole mit den eigentlichen Objekten im Repository verbunden. Ändert man etwa die Bezeichnung eines Geschäftsprozesses, so wirkt sich dies auf alle Darstellungen aus, in denen dieser Geschäfts­prozess angezeigt wird.

Analysen

Die in einem EA-Tool erfassten Inhalte lassen sich auf vielfältige Weise auswerten. Hierfür stehen in den Tools verschiedene vordefinierte Reports und grafisch aufbereitete Analysen zur Verfügung. So können Bebauungspläne generiert werden, aus denen beispielsweise für hervorgeht, welche Anwendungen in den verschiedenen Organisationseinheiten für be­stimm­­te Geschäftsprozesse eingesetzt werden.

Häufig verwendet werden auch Portfolio-Diagramme. So können z.  B. Anwendungssysteme in einem Koordinatensystem mit den Dimensionen „Wertbeitrag“ und „Strategiebeitrag“ positioniert werden. Dies dient als Grund­­lage für Entscheidungen über die weitere Entwicklung der einzelnen Systeme.

Ein weiteres Beispiel sind sogenannte „Heatmaps“, bei denen Objekte nach einem bestimm­ten Kriterium unterschiedlich eingefärbt werden. Werden etwa die Geschäftsfähigkeiten in einer Übersichtsdarstellung entsprechend der Qualität ihrer Umsetzung grün, gelb oder rot eingefärbt, so erkennt man auf einen Blick, wo besonders großer Verbesserungsbedarf be­steht.

Viele EA-Tools bieten zudem die Möglichkeit, neben vordefinierten Auswertungen eigene Analysen und Reports zu definieren.

Planung

Um die Weiterentwicklung der Enterprise-Architecture zu planen, können den verschiedenen EA-Objekten auch Informationen über zeitliche Veränderungen und Abhängigkeiten hinter­legt werden. Für ein Anwendungssystem kann man etwa eintragen, für wann die verschiedenen Lebenszyklus­pha­sen – Entwicklung, Einführung, produktive Nutzung und Außerbetriebnahme – geplant sind, und durch welches Nachfolgesystem es abgelöst wird. Auf Grundlage dieser Informationen lassen sich Balkendiagramme generieren, die eine Über­sicht über die geplante zeitliche Entwicklung bieten.

Je nach Tool kann man zudem dokumentieren, mit welchen Maßnahmen und Projekte die angestreb­ten Veränderungen erreicht werden sollen. Dies bildet eine Grundlage für das Projektportfolio-Manage­ment.

Kollaboration und Publikation

Damit die Dokumentation der Enterprise-Architecture korrekt und aktuell ist, müssen viele Beteiligte zusammenwirken. Neben EA-Spezialisten sind unter anderem Fachexperten, Business-Analys­ten, Projektleiter und Software-Architekten einzubeziehen. Die Unter­stützung der Zusammenarbeit gehört daher zu wichtigsten Funktionalitäten moderner EA-Plattformen. Sie ermöglichen es, Änderungen der EA-Objekte nachzuverfolgen, EA-Inhalte zu kommen­tieren, zu diskutieren und Modelle gemeinsam zu bearbeiten. Über ein Berechtigungskon­zept kann man festlegen, wer für die Aktualisierung bestimmter Inhalte zuständig ist.

Zum Teil lassen sich die Aktivitäten zum Erstellen, Bearbeiten und Überprüfen von EA-Inhalten durch eine Workflowsteuerung koordinieren. Und wenn manche Objekte seit längerer Zeit nicht mehr bearbeitet worden sind, kann das System die Verantwortlichen daran erinnern, dass sie diese Inhalte auf Aktualität prüfen müssen.

Zudem gibt es oftmals die Möglichkeit, Modellinhalte auf die Einhaltung festgelegter Regeln validie­ren zu lassen. Damit lässt sich z. B. sicherstellen, dass alle wichtigen Attribute von EA-Objekten ge­pflegt sind.

Schließlich verfügt eine Reihe von Tools über eine Komponente zur Publikation von Inhalten in Intra­net-Portalen oder in Form von Dokumenten. Auf diese Weise können die Inhalte für weitere Stake­holder bereitgestellt werden, z. B. für Manager, Entwickler, Support-Mitar­beiter und Anwender.

Schnittstellen und Integration mit anderen Systemen

Es gibt zahlreiche andere Softwaresysteme, die in einem engen Zusammenhang mit der Enter­prise-Archi­tecture stehen. Hierzu gehören beispielsweise Geschäftsprozess­manage­ment-Plattformen, Kon­figurationsmanagement-Werkzeuge, Projektmanagement- oder Anforderungsmanagement-Systeme. Derartige Systeme enthalten detaillierte Darstellungen von Geschäftsprozessen, einzelnen Hardware­komponenten, Softwareinstanzen oder Projekten. EA-Tools sind weniger spezialisiert. Sie fokus­sieren vielmehr auf den Gesamtzu­sam­men­hang.

Um zu vermeiden, dass dieselben Objekte mehrfach in unterschiedlichen Tools erfasst werden müs­sen, bieten die EA-Hersteller Schnitt­stellen zu verschiedenen anderen Systemen an. Neben einfachen Import-/Export-Schnittstellen gibt es auch enge Integrationen, bei denen Daten in Echtzeit ausge­tauscht und die Inhalte jederzeit synchron gehalten werden.

Auch Integrationen mit operativen Anwendungssystemen, Service-Management-Systemen etc. sind möglich. So können etwa Daten über Störungshäufigkeiten ohne Verzögerung in das EAM-System übertragen und dort visualisiert werden.

Lesen Sie auch Teil 2: Was Enterprise-Architecture-Tools leisten – am praktischen Beispiel


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