In diesem Beitrag habe ich kürzlich das Buch „Wikimanagement. Was Unternehmen von Social Software und Web 2.0 lernen können“ (Anzeige) von Ayelt Komus und Franziska Wauch vorgestellt. Die Autoren diskutieren unter anderem auch die Anwendung der aufgestellten Erfolgsfaktoren für Social Software-Systeme im Geschäftsprozessmanagement, sowie den Einsatz von Web 2.0-Technologien hierfür. Das betreffende Kapitel wird im Folgenden näher betrachtet.
Ein wesentlicher Grund für die oftmals unbefriedigenden Ergebnisse von Prozessmanagement-Aktivitäten sind die mangelnde Einbindung und Akzeptanz der Mitarbeiter. Daher gilt es gemäß der Wikimanagement-Philosophie eine gemeinsame Vision für das Prozessmanagement zu schaffen. Die Mitarbeiter sollten in die Lage versetzt werden, unter dem gemeinsamen Ziel ihre eigenen Ziele realisieren zu können. Partizipative Ansätze und eine hohe Vertrauenskultur ermöglichen insbesondere die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse durch die beteiligten Mitarbeiter. Eine flexible Regelauslegung versetzt Mitarbeiter in die Lage, Ziele auch dann zu erreichen, wenn die definierten Prozesse sich im Einzelfall als ungeeignet erweisen. Compliance-Anforderungen lassen dies andererseits nicht in beliebigem Umfang zu. Insbesondere in unkritischen Bereichen sollten die festgelegten Prozesse und Regelwerke, wie z. B. Modellierungskonventionen, möglichst schlank gehalten werden.
Abschied von der zentralen Planung?
Ein Mix von Herrschaftsformen ergibt sich u. a. durch die Ernennung von Prozessverantwortlichen, wenn es zugleich noch die herkömmlichen Linienverantwortungen gibt. Komus und Wauch betrachten die sich ergebenden Konflikte zugleich als Chance, durch Abgleichen der verschiedenen Perspektiven und Interessen gemeinsam ein Gesamtoptimum für das Unternehmen zu erreichen. Sind die Mitarbeiter an der Weiterentwicklung der Prozesse beteiligt, so bestehen gute Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. Eine erfolgreiche Mitarbeiterbeteiligung im Prozessmanagement setzt die Einfachheit in der Nutzung der verwendeten Methoden und Werkzeuge voraus. Statt komplizierter Modellierungstools können etwa Wikis oder einfache web-basierte Tools zum Zeichnen von Diagrammen zum Einsatz kommen.
Die Prinzipien der emergenten und der inkrementellen Entwicklung widersprechen der gängigen Vorgehensweise im Geschäftsprozessmanagement, bei der Änderungen von Prozessen zentral gesteuert und gemäß definierter Ziele genau geplant werden. Stattdessen werden Prozessänderungen durch die beteiligten Mitarbeiter ohne zentrale Vorgaben in kleinen Schritten entwickelt und umgesetzt. Hierdurch werden die Prozesse laufend angepasst und optimiert.
Entprivatisierung und persönlicher Stil bedeutet beispielsweise die Unterstützung von Prozessdarstellungen und -dokumentationen mit Hilfe von Wikis, Foren oder Weblogs. Hier sind beispielsweise Diskussionen und persönliche Anmerkungen zu bestimmten Prozessen möglich.
Gemeinsame Modellierung im Web 2.0 ist noch schwierig
Die Autoren merken an, dass sich die beschriebenen Prinzipien nicht in allen Fällen gleich gut anwenden lassen. Projekte, bei denen die Interessen der Mitarbeiter deutlich abweichen dürften, etwa reine Kostensenkungsprojekte, sind weniger geeignet, ebenso standardisierte Massenprozesse oder Prozesse mit hohen Sicherheits- oder Compliance-Anforderungen.
Bei der Anwendung von Web 2.0-Technologien im Geschäftsprozessmanagement wird insbesondere die Prozessdokumentation angesprochen. Im einfachsten Fall können Prozesse gemeinsam in Wikis dokumentiert werden, ggf. mit der Verlinkung zu Prozessdiagrammen. Die Möglichkeiten, grafische Modelle gemeinsam über Web 2.0-Plattformen zu erstellen, sind bislang noch begrenzt. In jüngster Zeit sind aber einige Angebote entstanden, die auch die gemeinsame Flowcharts u. ä. ermöglichen. Als Beispiel kann etwa das in einem vorangegangenen Beitrag vorgestellte Werkzeug „Blueprint“ von Lombardi dienen. Bei geeigneter Filterung des umfangreichen Methodenbaukastens kann auch eine einfache Nutzung von an sich komplexen Modellierungstools, wie dem ARIS Business Designer, erreicht werden.
Soziale Netzwerke erleichtern es, wichtige Ansprechpartner und Know-how-Träger zu finden. „Tagging“, also das Versehen von Inhalten mit Stichworten, und die Darstellung in Form von „Tag Clouds“ ermöglichen es den Benutzern, wichtige Prozesse zu kennzeichnen und für andere Benutzer leicht zugänglich zu machen. Über Bewertungssysteme kann Verbesserungspotenzial in Prozessen bzw. Prozessmodellen entdeckt werden. Web 2.0-Technologien fördern insgesamt die Möglichkeiten der Mitarbeiter, sich aktiv an der Prozessgestaltung und -entwicklung zu beteiligen.
Die Autoren diskutieren die Umsetzbarkeit ihrer Ansätze durchaus kritisch. Die vorgestellten Konzepte bedeuten in vielen Fällen ein grundlegendes Umdenken, sie lassen sich auch nicht in jeder Situation unverändert anwenden. Unternehmen wollen sowohl innovativ als auch effizient sein, sowohl flexibel als auch zuverlässig. Ein solches Unternehmen wird immer in einem Spannungsfeld stehen: Einerseits werden wenige Regeln und ein hoher Freiheitsgrad für die Mitarbeiter gewünscht, andererseits werden klar definierte und optimierte Prozesse benötigt. Hier muss der jeweils geeignete Grad an Formalisierung gefunden werden.
In allen Fällen sind aber eine offene Unternehmenskultur und die Einbeziehung der Mitarbeiter elementare Erfolgsfaktoren für sämtliche Prozessmanagement-Aktivitäten. Von daher kann jedes Unternehmen wichtige Impulse aus dem Wikimanagement gewinnen.
2 Gedanken zu „Wiki- und Prozessmanagement – ein Widerspruch?“
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