Dissertation über Choreographien

Will man Abläufe darstellen, die über verschiedene Beteiligte hinweg laufen, so genügen gewöhnliche Prozessmodelle häufig nicht. Bei genauerer Betrachtung verfügt jeder Beteiligte über seine eigenen Prozess (auch als Orchestrierung bezeichnet). Die Kommunikation zwischen den einzelnen Partnerprozessen erfolgt über den Austausch von Nachrichten, wie z. B. Bestellungen, Auftragsbestätigungen oder Rechnungen. Das entstehende Zusammenspiel wird auch als Choreographie bezeichnet. Gero Decker, heute Geschäftsführer bei dem Modellierungstoolhersteller Signavio, hat sich in seiner Dissertation „Design and Analysis of Process Choreographies“ am Potsdamer Hasso-Plattner-Institut ausführlich mit der Modellierung und der Analyse von Choreographien beschäftigt. Wesentliche Ergebnisse flossen in die Entwicklung der neuen Version 2.0 der BPMN in Form von Choreographie- und Konversationsdiagrammen ein, die in diesem Blog hier bereits einmal betrachtet wurden.

Es gibt zwei prinzipielle Möglichkeiten zur Modellierung von Choreographien: Einmal die Darstellung der beteiligten Einzelprozesse, ergänzt um die ausgetauschten Nachrichten. Decker bezeichnet derartige Modelle, die z. B. aus den bisherigen Versionen der BPMN bekannt ist, als Interconnection Models. Zum anderen kann man aber die Nachrichtenaustausche selbst als von den Partnern gemeinsam durchgeführte Aktivitäten betrachten, die in bestimmten Reihenfolgen ausgeführt werden können. Solche „Interaction Models“sind z. B. die Choreographiemodelle der neuen BPMN-Version 2.0.

Der Autor analysiert verschiedene Darstellungsmöglichkeiten für Choreographien, u. a. verschiedene formale Modelle, BPMN, UML Kommunikationsdiagramme, BPEL und die Web Services Choreography Description Language. Für die Darstellung von Interconnection Models als auch von Interaction Models werden existierende Erweiterungsvorschläge dieser Sprachen diskutiert bzw. – für die BPMN – neu entwickelt. Wichtige Themen sind in diesem Zusammenhang u. a. die Auswahl und Identifikation eines Partners aus einer Gruppe (z. B. des Gewinners aus allen Bietern bei einer Auktion) und die Zuordnung von Nachrichten zu den richtigen Prozessinstanzen (Korrelation). Die Einzelprozesse innerhalb einer modellierten Choreographie müssen einerseits kompatibel zueinander sein, andererseits muss sichergestellt werden, dass die entstehende Choreographie in dieser Form durch die Partner realisierbar ist. Decker stellt auch die Implementierung der beschriebenen Spracherweiterungen in der Modellierungsplattform Oryx vor. Oryx als offene Plattform im akademischen Umfeld war auch die Grundlage für die Entwicklung des kommerziellen Signavio-Werkzeuges.

Auch wenn die vorgeschlagenen BPMN-Erweiterungen nicht unverändert in die BPMN übernommen wurden, finden sich einige der beschriebenen Konzepte  in BPMN 2.0 wieder. Wer sich genauer für die Grundlagen und die Theorie hinter den neuen BPMN-Modellen interessiert, der wird in dier Dissertation fündig.


Decker, G.:
Design and Analysis of Process Choreographies.
Universität Potsdam 2009.
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