Die Autoren des BPMN Modeling and Reference Guide (Anzeige) gehören zu den Erfindern der BPMN. Derek Miers, Branchen-Analyst und Technologie-Stratege, war stellvertretender Vorsitzender der mittlerweile mit der OMG fusionierten Business Process Management Initiative (BPMI), wo die BPMN entwickelt wurde. Stephen A. White, BPM-Architekt bei IBM, wird in der BPMN Specification als Hauptautor genannt. Wer wäre also eher berufen, einen Leitfaden für die BPMN-Modellierung zu schreiben?
Das Buch ist in zwei Teile gegliedert: „Understanding BPMN“ und „BPMN Reference Section“. Der erste Teil „Understanding BPMN“ gibt einen Überblick über die Prozessmodellierung und wichtige Konzepte, wie Orchestrierung, Choreographie und Kollaboration. An einem Beispiel werden anschließend die grundlegenden BPMN-Konstrukte eingeführt.
Interessant ist ein kurzer Abriss der BPMN-Entwicklung. Es wurden zwei z. T. entgegengesetzte Ziele verfolgt: Einerseits sollte eine möglichst einfache Notation geschaffen werden, die sich gut für Business-User eignet, andererseits sollten BPMN-Modelle die Grundlage für ausführbare Prozesse darstellen. Schlüssel für den bisherigen Erfolg der Notation war wohl die breite Unterstützung durch 35 beteiligte Firmen bei der Erarbeitung der BPMN sowie die recht schnelle Umsetzung dieser Notation in mittlerweile über 50 Software-Tools. Nach Einschätzung der Autoren wird die Version 2.0, die gegenwärtig in Arbeit ist, frühestens Mitte 2009 veröffentlicht werden. Die aktuellen Stände der zwei konkurrierenden Entwürfe können bereits auf der OMG Website begutachtet werden (hier und hier).
All Models are Wrong, Some are Useful
Unter dem Motto „All Models are Wrong, Some are Useful“ steht ein Kapitel, in dem grundlegende Modellierungsfragen diskutiert und allgemeine Ratschläge zum Umgang mit Komplexität und die Strukturierung von Modellen gegeben werden.
Der eigentliche Einstieg in die BPMN-Modellierung erfolgt anhand eines einfachen, schrittweise erweiterten Prozesses zur Entscheidung über Hypothekenkredite. Zu den als grundlegend betrachteten BPMN-Elementen gehören hier u. a. auch an Aktivitäten angeheftete zeitliche Zwischen-Ereignisse sowie Signal-Ereignisse, Schleifen und Ereignis-basierte exklusive Gateways. Hierzu sind insgesamt fünf Übungsaufgaben enthalten. Die Lösungen sollen auf der Website zum Buch veröffentlicht werden, sind dort jedoch noch nicht vorhanden.
Der zweite Teil des Buchs, „BPMN Reference Section“, stellt den kompletten Sprachinhalt vor, jedoch anders als im ersten Teil nicht durchgängig aufeinander aufbauend, sondern von der Form her eher zum Nachschlagen und gezielten Nachlesen bestimmter Punkte (wie es ja die Bezeichnung „Reference“ nahelegt). So gibt es im Text viele Vorwärts-Verweise auf spätere Kapitel. Für den BPMN-Einsteiger genügt ein reines Durchlesen von vorne nach hinten daher nicht. Mit einigem Hin- und Her-Blättern lassen sich die Inhalte aber durchaus erschließen. Die Konzepte sind verständlich beschrieben, die Beispiele lassen sich gut nachvollziehen. Einige Beschreibungen sind eher zu ausführlich. So werden zwei komplette Seiten und insgesamt fünf Abbildungen benötigt, um zu erläutern, dass bei einem zeitlichen Zwischen-Ereignis eine eingehende Marke wartet, bis das betreffende Ereignis eintrifft, und anschließend weiterfließt. Dennoch sind viele Erläuterungen auch für BPMN-Kenner erhellend. Darüber hinaus geben die Autoren eine Reihe von Empfehlungen, wie bestimmte Konstrukte am besten angewandt werden sollten („Best Practices“).
Recht gute Übereinstimmung mit der Spezifikation
Wie in diesem Kommentar zum vorangehenden Beitrag zurecht festgestellt wurde, haben es auch White und Miers nicht geschafft, eine hundertprozentige Übereinstimmung mit der BPMN-Spezifikation zu erreichen. So gibt es ein Modell, in dem zwei Sequenzflüsse in ein Zwischenereignis eingehen. Dieser Verstoß ist aber eine Ausnahme. Einige andere Beispiele finden sich so zwar auch nicht in der Spezifikation, können aber als zulässige Interpretation durchgehen. So werden etwa mehrere auf dem Rand eines Unterprozesses platzierte Start-Ereignisse verwendet, um aus dem übergeordneten Prozess verschiedene „Einstiegspunkte“ anzusteuern. Generell kann man mit dem Buch ganz gut die korrekte, spezifikationskonforme BPMN erlernen.
Von den drei bisher erschienen Büchern zur Einführung in die BPMN (die anderen beiden sind das BPMN Pocket Handbook von Briol und der Microguide BPMN von Debevoise und Geneva), ist das hier besprochene sowohl wegen der Beschreibung der Konstrukte als auch aufgrund der hohen Übereinstimmung das empfehlenswerteste.
Hierzulande dürfte auch das in Kürze erscheinende erste deutschsprachige BPMN-Buch von Interesse sein. Dazu demnächst mehr.
White, Stephen A.; Miers, Derek:
BPMN Modeling and Reference Guide.
Future Strategies 2008.
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Dem stimme ich zu, ich finde das Buch von White u. Miers auch das bislang Beste.